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Brisanter Vorschlag.  Um Medienvielfalt auf lokaler Ebene, auch die Existenz von NRW.TV (im Bild die Website des Senders) zu sichern, fordert der Branchen-Verband von der Politik eine sehr moderate Beteiligung der Lokalsender am Rundfunkbeitrag.

© Tsp

NRW.TV vor der Pleite: Das große Sterben des Lokalfernsehens

Da konnte auch ein Helmut Thoma nicht helfen: Mit NRW.TV droht schon wieder ein Lokalsender zu scheitern. Jetzt sollen es Gebührengelder richten.

Die Sängerin Mona, heute bei „Lifestlye“, mit ihrer eigenen Mischung aus Pop, Dance und modernem Schlager, „ab 17 Uhr 30 bei uns im Studio“. Oder Fußball-Regionalliga West, 26. Spieltag: Jahnstadion Wiedenbrück, der heimische Sportclub im Kampf gegen den Abstieg, Alemannia Aachen ist zu Gast. Es dürfte den einen oder anderen in Nordrhein-Westfalen gegeben haben, der am Sonntag beim Sender NRW.TV vorbei- schaute, Mona und Vierte-Liga-Fußball guckte. Lokalfernsehen ist nicht unbedingt das, worüber am nächsten Tag im Büro gesprochen wird, und demnächst wird das im größten Bundesland noch weniger so sein. NRW.TV ist pleite, hat einen Insolvenzantrag gestellt. Wieder mal hat es ein lokaler Fernsehsender mit seiner Mischung aus lokalen und regionalen Themen und hohem Serviceanteil nicht geschafft. Der Bundesverband Lokal TV (BLTV) warnt schon seit geraumer Zeit vorm Sterben des Lokalfernsehens. 2009 stellte beispielsweise FAB, Fernsehen aus Berlin, den Sendebetrieb ein. Hat das Lokalfernsehen überhaupt noch eine Zukunft? Und wenn ja, wie?

Gerade in NRW lasse ein übermächtiger WDR mit seinen vielen Regionalstudios wenig Luft für private Sender, Audiovisuelle Medienvielfalt könne so nicht entstehen, sagt BLTV-Vorstandsvorsitzender René Falkner dem Tagesspiegel und bringt einen interessanten Vorschlag. „Hier sollte die Politik dringend überlegen, wie man die lokale und regionale TV Landschaft erhalten kann.“ Dies gelte für fast alle Bundesländer. „Leider mussten in den vergangenen Jahren im gesamten Bundesgebiet immer wieder Lokalsender ihren Betrieb aus finanziellen Gründen einstellen, oft haben sie auch den sehr teuren Umstieg von Analog- und Digital-TV nicht geschafft, der viele kleine Sender finanziell überfordert.“

Um Medienvielfalt und einen demokratischen Meinungsbildungsprozess auch auf regionaler und lokaler Ebene zu sichern, so Falkner weiter, fordert der BLTV von der Politik „eine sehr moderate Beteiligung der Lokalsender am ARD/ZDF-Rundfunkbeitrag, wie er in zahlreichen europäischen Staaten existiert“. Nicht zum ersten Mal steht so ein Ansinnen im Raum. Alternativ wäre auch eine kurzfristige gesetzliche Regelung zur kostenfreien Einspeisung von lokalen und regionalen Programmen in die Kabelnetze ein erster Schritt. Dies würde den öffentlichen Haushalt nicht belasten, wäre ein erster Beitrag zur Chancengleichheit.

„Wenn das so weitergeht, werden die meisten Regionalsender in Deutschland verschwinden.“

Ein Vorstoß, der auch Helmut Thoma entgegen kommen dürfte. Der Medienprofi, Urgestein im Segment der TV-Privatsender, ist seit Anfang 2014 Miteigentümer des nur in Nordrhein-Westfalen empfangbaren Regionalsenders NRW.TV. Mit Formaten wie der interaktiven Jugendsendung „Nix TV“ sowie Spielfilmen am Wochenende hat er den 2005 gestarteten Sender wieder ins Gespräch gebracht. Die Einbindung von Second Screen, die Verbindung von Fernsehen und Internet allein macht natürlich noch kein erfolgreiches Programm.

Hauptgrund für das notorische Scheitern von Lokalfernsehen ist nach Thoma die Tatsache, dass der TV-Werbemarkt zu 93 Prozent von Mediaagenturen beherrscht werde. „Diese haben kein Interesse daran, Regionalfernsehsender zu bedenken, da diese für die Planung aufwendiger sind. Die Mediaagenturen schaufeln daher das gesamte Werbegeld zu den beiden großen nationalen Werbegruppen RTL Television und ProSieben Sat 1.“ Hier erhielten sie sehr hohe Rückvergütungen, die sie bei kleineren TV-Sendern nicht bekommen. Dies sei ein deutsches Phänomen. Frankreich hat seit 1993 die Mediaagenturen komplett vom TV-Mediaeinkauf ausgeschlossen. „Wenn das so weitergeht, werden die meisten Regionalsender in Deutschland verschwinden.“

Es fehlt das Geld. Bleibt die Hoffnung auf den Gesetzgeber, sprich auf Beteiligung am Rundfunkbeitrag, wie das der Verband vorschlägt. Die Mitarbeiter von NRW.TV mit Sitz in Düsseldorf erhalten bis April Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit. Thoma, der seinen Job als Geschäftsführer bei NRW.TV zum Jahreswechsel abgegeben hatte, hofft auf einen Käufer. NRW.TV ist der mit Abstand reichweitenstärkste private Regionalfernsehsender in Deutschland. Thoma würde als Berater zur Verfügung stehen.

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