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Medien: Nun fusioniert mal schön

Studie: Zuschauer trauern ORB und SFB nicht nach – doch die „Abendschau“ soll bleiben

Von Joachim Huber

Es ging lange hin und her, ob und vor allem wie SFB und ORB fusionieren sollen. Auch wenn das jetzt beschlossene Sache ist, hängt so mancher Techniker und Redakteur mit Leib und Seele an seiner alten Rundfunkanstalt. Die Zuschauer sehen die Fusion sehr viel pragmatischer – so ermittelt die gerade fertig gestellte Studie „Der Fernsehmarkt Berlin-Brandenburg“, die der Sender Freies Berlin (SFB) und der Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg (ORB) in Auftrag gegeben hatten. Über 80 Prozent sagen: „Es ist doch egal, ob ein oder zwei Sender: Hauptsache, es wird in Zukunft ein gutes Programm für die ganze Region gemacht wird.“

Nach dem Abschlussbericht der gemeinsamen „Arbeitsgruppe Finanzen“ kann der neue Sender, der „Rundfunk Berlin-Brandenburg“ (RBB) heißen und ab Mitte 2003 auf Sendung gehen wird, für das Jahr 2004 mit knapp 400 Millionen Euro an Erträgen rechnen. Die Risiken der Fusion dürften beherrschbar sein: „Fusionsbedingte Mehraufwendungen/Mindererträge können weitgehend durch Einsparungen (unter anderem Abbau von Doppelfunktionen) aufgefangen werden.“ Ein Risiko: Im Schnitt bekommen die ORB-Mitarbeiter heute 80 Prozent der Gehälter des SFB-Personals. Bei einer Angleichung auf West-Niveau fielen beim RBB jährlich rund 3,4 Millionen Euro Mehrkosten an. Außerdem würde der SFB, als „Frontstadt- Sender“ jahrelang mit ARD-Alimenten gefüttert, als Berliner Teil des RBB aus dem ARD-Finanzausgleich herausfallen. Für den RBB wird der Status, ein siebenprozentiges Mitglied des ARD-Verbunds zu sein, bedeuten, dass er an den Gemeinschaftsaufgaben der ARD stärker beteiligt wird als es ORB und SFB heute sind. Der RBB wird eine „gebende“ ARD-Anstalt.

Der SFB hat während der letzten Jahre den Mitarbeiterstamm reduziert, derzeit sind 1040 Mitarbeiter festangestellt. Trotzdem, das Etikett der „schlankeren, flexibleren Anstalt“ kleben die Berliner und Brandenburger dem ORB mit 661 Mitarbeitern auf. Bleibt das Diktum gültig, nachdem es im Zuge der Fusion zu keinen betriebsbedingten Kündigungen kommen werde, wird der RBB an seinen Standorten Berlin und Potsdam mit erheblichen Doppelstrukturen und 1700 festangestellten Mitarbeitern starten. Das hohe Durchschnittsalter beider Sendeanstalten hat das Argument geboren, dass die Fluktuation das Problem der Mitarbeiterzahl lösen wird. In einem Papier der „Arbeitsgruppe Personal“ steht dazu: „Insgesamt werden bis zum Jahr 2012 mindestens 143 ORB-Mitarbeiter und 329 SFB-Mitarbeiter ausscheiden.“

Welchen Hörfunk, welches Fernsehen sollen sie produzieren? Beim Radio kooperieren ORB und SFB seit Jahren. Natürlich, Inforadio kann in Teilen Brandenburgs nicht empfangen werden, zwei Kulturwellen überspannen die Kräfte, Radio Multikulti wird sich von einer Berliner zu einer regionalen Veranstaltung mausern müssen, wenn das Überleben garantiert sein soll.

Beim Fernsehen liegen grundsätzlichere Probleme. Was wird aus SFB 1 und dem ORB-Dritten? Mehrere Szenarien werden gespielt: von der radikalsten Überlegung nur eines Programmes für das gesamte Sendegebiet bis hin zu einem Programm, in dem für mehr oder weniger ausgedehnte Zeitstrecken auseinander geschaltet wird – in Sendungen für das Land Brandenburg und für die Hauptstadt Berlin.

In der Studie zum „Fernsehmarkt Berlin- Brandenburg“ haben die Sender die Gebührenzahler nach ihren „Wünschen zum Erhalt konkreter Sendungen“ fragen lassen (siehe Grafik). Überragend an der Spitze: die SFB- „Abendschau“ mit einem 27-Prozent-Wert in Berlin, aber auch mit sieben Prozent in Brandenburg. Ansonsten fallen die „Wünsche“ erschreckend schwach aus: Das TV- Sortiment von ORB und SFB 1 scheint bei den Zuschauern auf sehr wenig Gegenliebe zu stoßen.

Im ARD-Programm will der RBB auch reüssieren, mit „Polizeiruf 110“, „Tatort“, einem politischen Magazin aus der Hauptstadt (SFB-„Kontraste“ oder doch ORB-„Klartext“?). Überhaupt, die Hauptstadt, der Regierungssitz. Der RBB wird tüchtig strampeln müssen, damit er als Hauptstadtsender bemerkt wird. Die Bundestagswahl hat die Ferne des Zieles angezeigt: Der ARD-Wahlabend in Berlin war eine Closed-Shop-Veranstaltung des Westdeutschen Rundfunks, Sitz Köln. Beteiligung des SFB? Null.

Der WDR-Intendant Fritz Pleitgen ist amtierender ARD-Vositzender. In dieser Rolle sorgt sich Pleitgen um das Glücken der Fusion von ORB und SFB. Mehr noch, der mächtige Mann vom Rhein kümmert sich. Er hat den Intendanten von SFB und ORB, Horst Schättle und Hansjürgen Rosenbauer, einen „Fusions-Moderator“ besorgt: Albert Scharf, in den Ruhestand getreten wordener Intendant des Bayerischen Rundfunks. Scharf soll schlichten, die Verfassung des RBB konturieren helfen.

Will Pleitgen mehr? Der WDR hat einen Fernsehdirektor, der heißt Ulrich Deppendorf. Deppendorf leitete das ARD-Hauptstadtstudio und kann sich die Intendanz des RBB sehr gut vorstellen. Die Intendanten-Frage gehört zum großen Spiel. Der Deppendorf fällt, auch Hansjürgen Rosenbauer wird genannt. Der ORB-Chef übt sich derzeit im Spagat: das Misstrauen der SFB-Mitarbeiter ihm gegenüber abzubauen, die Position des ORB zu stärken. Noch ein Kandidat: Bernd Schiphorst, der Medienbeauftragte für Berlin und Brandenburg und Hertha-Präsident.

Was dem WDR sein Fernsehdirektor Deppendorf und sein ehemaliger Kulturschaffender Rosenbauer sind, das ist dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) Dagmar Reim. Die Direktorin des Landesfunkhauses Hamburg ist zwar bei der ZDF-Intendantenwahl gescheitert, hat aber Eindruck gemacht. Weitere Namen schwirren, darunter MDR-Hörfunkchefin Barbara Molsen, NDR-Verwaltungsdirektor Lutz Marmor, NDR-Justiziar Werner Hahn oder Uwe Rosenbaum, Chef des SWR- Landesstudios Rheinland-Pfalz. Auch SFB- Chefredakteurin Petra Lidschreiber wird Interesse nachgesagt.

Allen Kabalen und Personalien zum Trotz, der Berliner und der Brandenburger Gebührenzahler hat die unmissverständliche Parole für den Rundfunk Berlin-Brandenburg ausgegeben: „Berlin und Brandenburg gehören zusammen, und deshalb ist es richtig, auch einen gemeinsamen Sender zu haben.“

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