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Medien: Nur Sparen hilft nicht

Diskussion über die Zukunft von Qualitätszeitungen

Der Chefredakteur des Tagesspiegel, Giovanni di Lorenzo, hat sich am Samstag bei einer Podiumsdiskussion von Chefredakteuren deutscher Tageszeitungen in der jetzigen Situation für den Kauf des Berliner Verlages („Berliner Zeitung“) durch die Verlagsgruppe Holtzbrinck (Der Tagesspiegel) ausgesprochen. Gleichzeitig betonte er aber auch, dass die Selbstständigkeit der beiden Redaktionen erhalten bleiben müsste. Letzteres sei für ihn das Wichtigste. Die Podiumsdiskussion fand zum Abschluss der Jahrestagung von „netzwerk recherche" beim NDR in Hamburg statt. Gleich zu Beginn der Diskussion war es zu einer Kontroverse über die gegenwärtige Situation der Zeitungsverlage in Berlin gekommen, nachdem der Chefredakteur der „Bild am Sonntag", Claus Strunz, die These aufgestellt hatte, viele Zeitungen seien in eine Krise geraten, weil sie am Markt vorbei produzierten. Dem widersprachen Frank Schirrmacher („FAZ“), Hans Werner Kilz („Süddeutsche Zeitung“) und Wolfgang Storz („Frankfurter Rundschau“). Giovanni di Lorenzo wies darauf hin, dass „Süddeutsche" und „Tagesspiegel" in jüngerer Zeit am Markt Erfolg gehabt und ihre Auflagen gesteigert hätten. „Trotzdem befinden wir uns in der Bredouille," sagte er. „Wenn das aber so ist, dann ist in diesen Zeiten die Qualitätszeitung ganz stark bedroht." Es drohe eine starke Einschränkung von Titeln.

Der Chefredakteur bezeichnete die Situation in Berlin als äußerst schwierig und unangenehm. Sie belaste die betroffenen Journalisten in hohem Maße. Dabei spiele auch eine wichtige Rolle, dass gegenwärtig ständig von außen Sparvorschläge an die Redaktion herangetragen würden. Das sei ein Bereich, „der geht wirklich ans Eingemachte". Er kenne keinen Verleger, der „ein größeres Gefühl für Sparsamkeit besitze als die schwäbische Familie Holtzbrinck". Wenn irgendwo Geld herauszuholen wäre, wenn es ein Modell gäbe, um den Tagesspiegel in die schwarzen Zahlen zu bringen, „hätten wir das schon drei Mal ausprobiert". Die Zeitung arbeite „unter sparsamsten Bedingungen".

Das noch wenig konkrete Angebot von Bundeskanzler Gerhard Schröder vom Vormittag, über Erleichterungen für die durch hohe Anzeigenausfälle in Schwierigkeiten geratenen Medien nachzudenken, spielte bei der Podiumsdiskussion nur eine Nebenrolle. Bascha Mika von der „tageszeitung" warnte vorsorglich, die Gazetten dürften jetzt „nicht an den Tropf der Politik" kommen.

Der ausgelobte „Negativ-Preis“ der „netzwerk recherche“, die „Verschlossene Auster“, ging in diesem Jahr an den Lebensmittelkonzern Aldi für „seinen rigiden Umgang“ mit Medienvertretern. Der Discounter schotte Journalisten grundsätzlich von Informationen ab.

Karsten Plog

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