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Obama-Effekt: Seid umworben, Millionen!

Der Erfolg des US-Präsidenten im Internetwahlkampf macht deutschen Politikern jedoch eher Angst als Mut. Daran vorbei kommen sie dennoch nicht.

Sechs Millionen Anhänger im Web, 30 Millionen Dollar durch Online-Spenden – der Erfolg von Barack Obama im Internetwahlkampf 2008 könnte Mut machen. Tatsächlich ist er für die Online-Strategen der deutschen Parteien wegen der übergroßen Erwartungen eher zur Belastung geworden.

„Nach Obama ist jeder Online-Wahlkampf eigentlich schon gescheitert“, räumte der Internetstratege der Grünen, Robert Heinrich, am Freitag bei der Informationsveranstaltung „Der Obama-Effekt – Medien und Wahlkampf“ ein, die von der Grimme-Akademie in Berlin ausgerichtet wurde. Das hätten die in den Medien angestellten Vergleiche zwischen Obama-Followern und Merkel-Freunden bei Facebook und StudiVZ gezeigt. Dabei sehen sich die Grünen mit ihrer Graswurzelpolitik sehr nahe an der Community und wollen in punkto Glaubwürdigkeit und Anhängerbeteiligung vom Internet profitieren. „Die wichtigen Botschaften werden weiterhin von den Massenmedien verbreitet, im Netz werden die Aussagen authentifiziert“, sagte Heinrich. „Renate Künast hat bei Facebook zwar weniger Anhänger als Angela Merkel, aber im Gegensatz zur Kanzlerin redet sie auf ihrer Seite mit den Besuchern.“ Der Online-Wahlkampf zahlt sich für die Grünen aus: Durch Spenden konnten 600 zusätzliche Werbeflächen gemietet werden. Dabei wählen die Sponsoren den Stellplatz direkt über eine Google-Maps-Anwendung aus. Bis zum Wahltag sollen es 1500 zusätzliche Plakate werden.

Klasse statt Masse, lautet die Devise des Internetexperten der CDU. Stefan Hennewig freut sich über die Anhänger, die sich auf MeinVZ & Co. zu Angela Merkel und der CDU bekennen. Noch wertvoller sind für ihn aber die CDU-Fans auf www.team2009.de, dem eigenen Sozialen Netz der Christdemokraten. „Das sind belastbare Anhänger, die auch bereit sind, einen potenziellen Wähler bei einem Hausbesuch von den Ideen der CDU zu überzeugen“, sagte Hennewig. An eigenen Angeboten dieser Art kommt die Politik jedenfalls nicht vorbei. Zwar informiert sich jeder dritte Internetnutzer im Web über Politik, die offiziellen Seiten von Bundestag oder Parteien werden dafür jedoch selten angesteuert. „Nur drei Prozent der Nutzer kommen dorthin“, sagte Hennewig.

Die Erkenntnisse der Politik-Praktiker lassen sich auch wissenschaftlich unterfüttern. So war der Internetwahlkampf für Obama entscheidend, in Deutschland hat er eine ergänzende Funktion, weiß der Gießener Kommunikationswissenschaftler Christoph Bieber. Anders als die Social Networks seien Blogs dabei nicht relevant. Die Rolle von Twitter ist in verschiedener Hinsicht spannend. So sei das Town Hall Meeting von Angela Merkel bei RTL von SPD und Grünen via Twitter simultan kommentiert worden. Und am Wahltag könnten die User zu Demoskopen werden, die mit Adhoc-Befragungen nach der Stimmabgabe spontane Stimmungsbilder liefern wollen, abzurufen bei Twitter unter #enterpoll.

Dieter Kronzucker, einst Gründer des „heute-journal“ des ZDF und seit vielen Jahren das politische Gesicht des Nachrichtensenders N24, hat eine Lehre aus dem Obama-Wahlkampf gezogen. Damit ein deutscher Politiker ebenso erfolgreich sein kann, egal ob nun im TV oder im Internet, muss er authentisch und bereit sein, auch Persönliches von sich preiszugeben. Dieter Kronzucker hat auch eine Vorstellung, welcher deutsche Politiker diese Anforderung erfüllen könnte: Wirtschaftsminister zu Guttenberg. Allerdings müsse er dann auch seine Frau vor die Kameras holen und sagen, mit wem er am liebsten Karten spielt. Kurt Sagatz

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