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Medien Obama

© AFP

Obama on Tour: Rockstar und Groupies?

Das Interesse der US-Medien an Barack Obamas Weltreise ist beispiellos. Es wird immer deutlicher: Die Adressaten der Auftritte sind nicht Bürger und Politiker der Gaststaaten, sondern die Wähler daheim.

Stellen wir uns vor, die SPD legt sich fest, wer ihr Kanzlerkandidat wird. Der bricht sechs Wochen später zu einer längeren Auslandsreise auf – und die Moderatoren der wichtigsten deutschen Fernsehnachrichtenformate von Tom Buhrow (ARD) über Claus Kleber (ZDF) bis zu Peter Kloeppel (RTL) wetteifern, wer mit dem Herausforderer reisen und ihn in Washington oder Peking interviewen darf? Wohl eher unwahrscheinlich.

Vergleichbares ereignet sich aber gerade rund um die Weltreise des Präsidentschaftskandidaten der US-Demokraten, Barack Obama. Die Stars des amerikanischen Medienzirkus buhlen um seine Gunst. Brian Williams (NBC), Charles Gibson (ABC) und Katie Couric (CBS) verlassen ihre gewohnten Studioplätze und auch die USA, um den Kandidaten draußen in der Welt vor der Kamera zu befragen. Die drei Hauptnachrichtensendungen der Networks erreichen im Schnitt 20 Millionen Amerikaner täglich. Obamas Kampagne hat mit allen Dreien Absprachen getroffen, wem er an welchem Tag das Hauptinterview gewährt.

Das Medieninteresse an dieser Reise des 46-jährigen Senators von Illinois ist beispiellos in der Geschichte der USA. Als sein republikanischer Gegenkandidat John McCain im März in den Irak flog, und als er vor einigen Tagen Kolumbien besuchte, war der Andrang der Journalisten weit geringer. Die Bilder liefen unter der Rubrik „Weitere Nachrichten“. Nur an dem Tag, an dem Ingrid Betancourt aus mehrjähriger Geiselhaft der kolumbianischen Guerillagruppe Farc freikam, gab es auch mehr Bilder von McCains Gesprächen in dem Land zu sehen.

Wenn Präsident George W. Bush ins Ausland fliegt, hat er zwar meist eine größere Begleitpresse dabei, aber das allein garantiert noch nicht die breite Berichterstattung, die Obama erzielt, seitdem er am Sonnabend in Afghanistan landete. Auch Bill Clinton konnte sich mit dem Rockstarstatus des jungen Kandidaten nicht messen. Es gab zwar Tage, an denen Clinton noch öfter auf den Schirmen zu sehen war, aber die Gründe für das Interesse waren ihm weniger förderlich: Es ging um seine Affäre mit Monica Lewinsky und das folgende Impeachment.

Angesichts der großen Nachfrage konnten Obamas Presseleute aussuchen, wen sie an Bord des Jets für die mitreisenden Journalisten lassen – und wen nicht. Die rund 40 Plätze wurden zumeist an verdiente Korrespondentinnen und Korrespondenten vergeben, die den Kandidaten bereits seit Monaten begleiten – mit anderen Worten: Leute, die er kennt und auf die er sich verlassen kann, wie Jeff Zeleny von der „New York Times“ oder Lynn Sweet von der „Chicago Sun-Times“. In Einzelfällen reisen Edelfedern an Stelle der Obama-Wahlkampfreporter mit, zum Beispiel Dan Balz von der „Washington Post“. Das Presseflugzeug begleitete Obama nicht in die Kriegsgebiete. Es flog am Sonntagabend in Chicago ab. Die Medien sollten den Kandidaten im Nahen Osten treffen.

Dem Vernehmen nach ist kein einziger Nichtamerikaner darunter; Obamas Sprecher weigerten sich freilich, die Information zu bestätigen oder zu korrigieren. Die Adressaten der Auftritte im Ausland sind nicht Bürger und Politiker der Gaststaaten, sondern die Wähler daheim. Allerdings möchte Obamas Team Schlagzeilen vermeiden, dass er die Ausländer aussperre. Das widerspräche dem Bild einer offenen und gastfreundlichen Gesellschaft, das die meisten Amerikaner von ihrem Land haben. Es ist ein wunder Punkt. Das zeigen die Reaktionen auf den Gastbeitrag des USA-Korrespondenten des Tagesspiegels in der „Washington Post“, der Obamas Scheu vor ausländischen Medien beschrieb. Binnen weniger Stunden kamen 275 Leserreaktionen – ein überdurchschnittlicher Wert.

Der Journalistenauftrieb hat abermals den Vorwurf der Republikaner ausgelöst, linkslastige Medien wollten den demokratischen Kandidaten durch einseitige Berichterstattung an die Macht bringen. Die Chefs der großen TV-Stationen bestreiten das. „Würde McCain mitten im Wahlkampf seine erste Reise ins Kriegsgebiet machen, würden wir ihn auch begleiten“, sagte Paul Friedman von CBS der „New York Times“. Nach einer Untersuchung des Fachdienstes „Tyndall Report“ hatten die großen drei Sender seit Juni zusammengenommen 114 Minuten über Obama im Programm – und 48 Minuten über McCain. Auch Hillary Clinton hatte sich im Vorwahlkampf beschwert, dass Obama mehr Aufmerksamkeit genieße. Die meisten US-Journalisten sehen darin keine Parteilichkeit. Sie sagen: Ein Neuer ist immer interessanter als die Altbekannten.

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