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Öffentlich-Rechtliches Netz: Der Testosteron-Test

ARD-Gremien winken Online-Angebote mit Einschränkungen durch. Die Verlegerverbände kritisieren die Expansion und wollen klagen.

Die Drei-Stufen-Tests für die öffentlich- rechtlichen Online-Angebote sind abgeschlossen, der Streit darum geht unvermindert weiter. Dietmar Wolff, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger, nannte das aufwendige Verfahren „eine Farce, die Rundfunkräte haben die Onlineauftritte der ARD einfach abgenickt“. Seiner Ansicht nach habe die Verbreitung des Textportals tagesschau.de auf allen Distributionskanälen – mobil, mit Apps, bei Facebook oder Twitter – nichts mehr mit Rundfunk zu tun. Wolff kündigte an, der BDZV werde alle politischen und juristischen Mittel ausschöpfen, „um gegen die expansiven Onlinepläne von ARD und ZDF vorzugehen“. Nichts anderes planen die Zeitschriftenverleger.

Als ob die Gremienvorsitzenden der ARD geahnt hätten, was an Kritik auf sie zukommen wird, hatten sie zur Pressekonferenz am Mittwoch in Berlin ein Gutachten von Hans-Jürgen Papier mitgebracht. Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts kommt zu dem Schluss: „Begibt sich die Presse allerdings auf das Gebiet des Rundfunks, der im modernen Sinne auch Internetangebote umfasst, muss sie die öffentlich-rechtliche Konkurrenz aushalten.“ Der Jurist zählt dieses Internetangebot zum Kern des Grundversorgungsauftrags von ARD/ZDF.

Diesen Streit zwischen ARD und ZDF auf der einen Seite, Zeitungs- und Zeitschriftenverlegern sowie privaten Rundfunkveranstaltern auf der anderen beizulegen oder wenigstens einzudämmen, hatte der Rundfunkgesetzgeber jene Drei-Stufen-Tests im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag dekretiert. Der gesamte Telemedien-Bestand musste von den Aufsichtsgremien der Sender nach den folgenden Kriterien überprüft werden: Abgleich mit den gesellschaftlichen Bedürfnissen, Beitrag zum publizistischen Wettbewerb, Auswirkungen auf die Konkurrenzsituation der Medien im Internet, finanzieller Aufwand. Die Rundfunkräte der ARD-Anstalten haben insgesamt 37 Telemedienkonzepte diesem Prüfverfahren unterzogen, zwölf davon sind ARD-Gemeinschaftangebote wie tagesschau.de (NDR), daserste.de (BR), boerse.ard.de (HR) oder sportschau.de (WDR). Ruth Hieronymi, die Vorsitzende des WDR-Rundfunkrates, nannte ein Beispiel, wie unterschiedlich die marktökonomischen Bedingungen gesehen werden können. Sportschau.de hat im großen Maßstab einen Marktanteil von 0,9 Prozent, verglichen nur mit den Auftritten der Fernsehmitbewerber steigt der Wert auf 15 Prozent. Die ARD-Gremienvorsitzenden sind überzeugt, mit ihren Prüfergebnissen den goldenen Mittelweg gefunden zu haben, der dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk seine Online- Existenz garantiert, dem Bürger im Internet wichtige Informationsquellen zur Meinungsbildung sichert und zugleich die privaten Wettbewerber nicht an die Wand drückt. Sobald die Rechtsaufsicht der jeweiligen Bundesländer die Ergebnisse testiert hat, müssen sämtliche ARD-Onlineangebote angepasst werden, zahlreiche Internetangebote dürfen nur mit Einschränkungen im Internet verbleiben. Bei tagesschau.de etwa sollen 80 Prozent der ursprünglich publizierten, aber eben nicht „sendungsbezogenen“ Seiten wegfallen. Der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust sagte: „Wir bedauern, dass im gesamten Angebot aufgrund der Vorgaben mehr als eine Million Seiten nicht mehr verfügbar sind. Das ist der Preis, den leider in erster Linie die Nutzer zahlen müssen.“

Für seine Onlineangebote gibt der Senderverbund 20 Millionen Euro pro Jahr aus, bis 2012 wird der Betrag auf 25 Millionen Euro steigen. Der größte Einschnitt bedeutet für die ARD die zum Teil geringere Verweildauer vieler Fernsehproduktionen im Netz. Dies passiert, wie bei den Serien, um die kostenpflichtigen Video-on-demand-Portale der Privatsender wie maxdome der Pro Sieben Sat1 AG zu schützen. Die ARD-Mediathek, zu finden unter daserste.de, hat deswegen sehr unterschiedliche Verweildauern je Genre. Daily Soaps wie „Verbotene Liebe“ können maximal sieben Tage abgerufen werden, Mehrteiler, TV-Filme („Tatort“) und Reihen sind maximal drei Monate zugänglich. Talkshows können bis zu einem Jahr in der Mediathek bleiben. Die Politshow von Günther Jauch, ab Herbst 2011 im ersten Programm, wird nur sieben Tage nach Ausstrahlung nachzusehen sein. Das hat Jauch vertraglich so gewollt, wer weiß, vielleicht macht er nach dieser Frist ein Pay-on-demand draus. Joachim Huber

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