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Medien: Ötzi-TV

Mit der ARD geht es zurück in die „Steinzeit“

Am Abend des ersten Tages gibt es einen idyllischen Augenblick in der Steinzeit-Siedlung. Vor dem Schlafengehen singt die 13-köpfige Gemeinschaft „Der Mond ist aufgegangen“, die Kamera gleitet dazu über den Teich, aus dem weißer Nebel steigt wie aus den Wiesen in Matthias Claudius’ Abendlied „Wie ist die Welt so stille“. Man könnte neidisch werden. Dieses Gefühl weicht rasch dem Mitleid. „Ich will in die heutige Zeit zurück“, jammert der dreijährige Taliesin am zweiten Tag. Nach rohen Erbsen in lauwarmem Wasser am ersten Tag gibt es am zweiten eine kümmerliche Portion Getreidekörner mit Schmalz vermischt. Taliesin übergibt sich in der Nacht mehrfach. Außerdem hat es ausdauernd zu regnen begonnen.

Die Welt des Sommers 2006 ist leider kein bisschen stille. Dauerregen und unverhoffte Kälte machen die Zeitreise ins Jungsteinzeit-Jahr 3200 vor Christus zu einer harten Probe. Am Ende der ersten Folge von „Steinzeit – Das Experiment“fragt man sich, wie dies die sieben Erwachsenen und sechs Kinder zwei Monate durchgestanden haben. Ohne Hilfe von außen ging es nicht. Am dritten Tag wird Getreide verteilt, bei dem das Korn leichter von der Hülse getrennt werden kann als bei dem anfangs eingesetzten Emmer – ein Irrtum der wissenschaftlichen Berater. Nach einer Woche werden Plastikplanen übers Dach geworfen und für die Nacht Daunendecken verteilt, die Steinzeit-Kleidung ist durchnässt. „Sobald der erste eine Lungenentzündung hat, gehen wir alle“, droht Martin Burberg, einer der Zeitreisenden. Sie sind geblieben. Für den Spannungsbogen seien die schwierigen Umstände der Dreharbeiten ein unverhofftes Geschenk gewesen, sagt Autor und Regisseur Martin Buchholz. Jedenfalls läuft die ARD nicht Gefahr, die Steinzeit zu romantisieren.

Wer ein Abenteuer buchen möchte, ist bei dem Sender an der richtigen Adresse. Die ARD schickte bereits Freiwillige auf Atlantikfahrt („Windstärke 8“) oder ließ junge Frauen die Zucht und Ordnung der fünfziger Jahre am eigenen Leib erfahren („Die Bräuteschule“). In der Steinzeit werden aus den Mitspielern im TV-Genre „Living History“ wissenschaftliche Versuchskaninchen. Der Südwestrundfunk, der den Boom im Jahr 2002 mit dem Grimmepreis-gekrönten „Schwarzwaldhaus 1902“ ausgelöst hatte, spricht von „Living Science“. Gemeinsam mit Experten des Pfahlbaumuseums Unteruhldingen wurden in der Nähe des Bodensees die Steinzeit-Häuser für das TV-Experiment gebaut.

Zusätzlichen Augenkitzel gewinnt diese Dokumentation durch die Tour von Ingo Schuster und Henning Fenner, die auf den Spuren Ötzis bis nach Bozen wanderten. Natürlich ist auch das ein Experiment, bei dem die Kleidung, ähnlich der 1991 in den Ötztaler Alpen gefundenen Gletschermumie, einem Härtetest unterzogen wird. Das Fernsehen sah schon älter aus als bei dieser Form von Ötzi-TV.

„Steinzeit - Das Experiment“,

Pfingstsonntag, ARD, 21 Uhr 45

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