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Erhitzt derzeit die Gemüter: Markus Lanz.

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Online-Petitionen um Markus Lanz: Alles nur Show

Massenpetitionen - und bald massenhaft Petitionen: Piraten, Linke, ein Kabarettist. Die einen sind gegen Lanz, die anderen für Lanz. Und es gibt auch schon Petitionen gegen Petitionen.

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Nach der Online-Petition gegen seine ZDF-Talkshow haben sich jetzt auch Unterstützer von Markus Lanz im Internet zusammengefunden. Der Berliner Piratenpolitiker Christopher Lauer startete am Samstag im Netz eine Gegen-Petition mit dem Titel „Markus Lanz soll mal bitte seine Show so machen, wie er will, immerhin ist er ja erwachsen“, die bis Montagmittag ein paar hundert Personen unterzeichneten. „Die Lanz-Debatte der vergangenen Tage ist doch etwas grotesk“, begründete Lauer seine Initiative. „Klar muss man Lanz nicht gut finden, aber bitte, Leute, für sowas wurden weder Internet-Petitionen erfunden noch ist es sinnvoll so viel Zeit für so einen Quark draufgehen zu lassen.“ Die seit zehn Tagen dauernde Petition gegen den Lanz-Talk, zu der die Leipzigerin Maren Müller (54) aufgerufen hatte, zählte am Montag mehr als 220.000 Befürworter.
Der Druck auf den ZDF-Moderator hat sich seit seinem viel kritisierten und ruppig geführten Interview mit Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht am 16. Januar erhöht. Lanz hat sich inzwischen bei ihr entschuldigt. Am Samstag verbuchte er mit dem ZDF-Klassiker „Wetten, dass..?“ ein historisches Quotentief in der 33-jährigen Geschichte der Show. Nur noch 6,31 Millionen Zuschauer guckten zu. Eine Krisensitzung wegen Lanz und „Wetten, dass..?“ werde es nicht geben, weder die Sendung noch der Moderator stünden zur Diskussion, beteuerte der Sender am Montag.

Eine Petition für die Petition

Im Netz geht der Trubel weiter. Die digitale Unterschriftensammlung des Kabarettisten Dieter Nuhr, 53, gegen eine Petitionsflut im Internet ist allerdings inzwischen abgeschaltet worden. Der Aufruf unter dem Motto „Gegen digitales Mobbing, binäre Erregung und Onlinepetitionswahn“, die Nuhr am Sonntag startete, wurde wenige Stunden später von der Plattform „openPetition“ gelöscht. Sie habe die Nutzungsbedingungen missachtet, erklärte das Portal. „Meine so schön formulierte Onlinepetition wurde aus Gründen freier Meinungsäußerung gesperrt“, schrieb Nuhr auf seiner Facebook-Seite. Mittlerweile hat ein Nutzer eine weitere Petition eröffnet: „Für den Erhalt von Dieter Nuhrs Petition". Das Internet sei zwar frei, „aber Humor leider nicht erlaubt, „schade“, sagte Nuhr dem Tagesspiegel. Immerhin gebe es sogar schon eine Petition zur Wiederaufnahme seiner Petition. „Da habe ich mich wirklich gefreut.“

Dieter Nuhr
Kabarettist Dieter Nuhr

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Dass der Kabarettist damit indirekt auch dem heftig kritisierten Moderator zur Seite gesprungen ist, sei nicht Sinn der Sache gewesen. „Über Markus Lanz habe ich ja gar nichts gesagt. Aber wenn Sie schon fragen: Ich habe ihn als sehr angenehmen, weit gereisten, gebildeten Menschen kennengelernt. Mit Markus Lanz hat das alles ja auch nichts zu tun. Das Volk will Opfer sehen, wie in der Urzeit. Und Markus Lanz hat gerade eine Linke kritisiert. Das geht gar nicht! Und das Besondere am Internet ist ja: Da ist Lynchjustiz erlaubt.“

Linke-Europaabgeordneter Klute nennt Empörung von Genossen "kurzsichtig"

In der Linkspartei löst der Umgang mit der erfolgreichen Online-Petition „Raus mit Lanz aus meinem Rundfunkbeitrag“, gestartet von Maren Müller, inzwischen heftige Debatten aus. Der Linke-Europaabgeordnete Jürgen Klute nannte die Empörung von führenden Genossen über Lanz „kurzsichtig“. Er schrieb auf seiner Homepage, es sei eine Sache, wenn empörte Bürger in einer Petition ihrem Ärger Luft machen. Dagegen aber stehe die Frage, „ob es politisch klug ist für Die Linke, wenn reihenweise Funktionäre zur Unterstützung dieser Petition aufrufen“. Müller war von 2007 bis September 2013 Mitglied der Linkspartei, allerdings nur auf kommunalpolitischer Ebene aktiv.
Tagelang hatten mehrere Linken-Bundestagsabgeordnete die Kampagne gegen den ZDF-Moderator mächtig angeheizt. Auf Twitter und in anderen sozialen Netzwerken gaben sie in enger Taktfolge den Unterzeichnerstand durch. „Wow“, schrieb dazu etwa der NRW-Bundestagsabgeordnete Niema Movassat. Er berichtete: „#ZDF-Programmdirektor lehnt Gespräch mit Initiatorin der Petition ab. Offenbar wird Kritik nicht ernst genommen.“ Seine Kollegin Sevim Dagdelen, ebenfalls zum linken Parteiflügel gehörend, fragte: „#Lanz hat wohl als Pressesprecher der FDP angefangen...stimmt's liebes ZDF?“ Sabine Leidig aus Hessen, früher Attac-Geschäftführerin, twitterte am Freitag: „Knacken wir heute die 200.000? Der ,linke shitstorm’ gegen #Lanz must go on.“ Und das ist nur eine Auswahl von vielen Wortmeldungen mehrerer Parteifunktionäre.
Der Europaabgeordnete Klute zweifelt an der politischen Klugheit seiner Genossen. „Zur Meinungs- und Pressefreiheit (oder besser: Medienfreiheit) gehört es eben auch, dass TV-Moderatoren Politiker und Politikerinnen hart angehen.“ Meinungsfreiheit heiße doch gerade auch zuzulassen und zu tolerieren, „was im – mitunter auch krassen – Widerspruch zur eigenen Meinung, zur eigenen Position und zum eigenen Geschmack steht“. Klute fragt: „Wer kann denn ausschließen, dass Konservative demnächst das Instrument einer Petition erproben, um die Die Linke unter Druck zu setzen? Eine solche Entwicklung kann Die Linke nicht wollen.“ Mit der „massiven Unterstützung“ der Petition zur Lanz-Entlassung durch Funktionäre der Linken habe die Glaubwürdigkeit der Partei „bezüglich Demokratie, Meinungs- und Medienfreiheit Schrammen bekommen“. Wegschalten wäre, so Klute im Rückblick, vermutlich die klügere Reaktion gewesen.

Das sieht der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Matthias Höhn, offenbar ähnlich. Er schrieb auf seiner Facebook-Seite: „Es würde mich sehr freuen, sollte es bei der nächsten Petition zu einem politisch wichtigen Thema eine solche Mobilisierung geben wie bei der laufenden gegen einen Fernsehmoderator und sein schlechtes Benehmen.“ Die Empörung über Vorratsdatenspeicherung, Hartz-IV-Sanktionen oder Altersarmut „läuft in der ,Netzgemeinde’ auf einem anderen Niveau. Schade“.

Forderung nach Publikumsrat

Indessen wird in Gefolge der Diskussion um Markus Lanz die Forderung nach der Einrichtung eines Publikumsrates lauter. Die Kampagne gegen Lanz sei Ausdruck einer allgemeinen Unzufriedenheit des Publikums mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die sich mittels der Initiative nun Bahn bricht, so Mit-Initiatorin Sabine Schiffer vom Institut für Medienverantwortung. Nur selten erhalten Zuschauerreaktionen auf einzelne Sendungen vergleichbare Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. „Wir halten deshalb die Einrichtung eines Publikumsrats für notwendig, wie ihn auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender in Österreich und der Schweiz seit langem betreiben“.

Diese Forderung hat es bislang noch nicht zu einer Online-Petition gebracht. Die Plattform openPetition kündigte an, keine Unterschriften-Begehren mehr gegen einzelne Personen zuzulassen. „Petitionen gegen Personen sind auf openPetition künftig nicht mehr zulässig“, erklärte der Betreiber. Ausgangspunkt sei der Fall Lanz. Die Initiative werde dennoch nicht gelöscht. Denn: „Die Petition von Frau Maren Müller ist in erster Linie eine Forderung an ZDF nach journalistischen Qualitätsstandards.“

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