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Medien: „Partys strengen mich an“

Cornelia Froboess zum 60. Ein Gespräch über Energie, Trägheit und das Sortieren von Knöpfen

Fühlen Sie sich mit 60 erwachsen?

Keine Ahnung. Ich mache noch so viel falsch, was die Lebensqualität anbelangt. Beruflich ist alles okay. Da mach’ ich nur, was ich machen möchte. Aber mir bleibt zu wenig Zeit für mich und meine Familie. Bis Ende August 2004 bin ich ausgebucht. Das wollte ich gar nicht. Aber dann kommt ein gutes Stück, dann noch eines, und plötzlich sitzt du in der Bredouille und hast keine Zeit.

Was ist denn so ein gutes Stück?

Zum Beispiel die „Mutter Courage“, ein altes Projekt von Thomas Langhoff. Ich bin ja eher träge und in einem Alter, wo ich mir nichts mehr beweisen muss. Aber die Courage kann man nicht ablehnen. Ich bin sie dem Regisseur und mir schuldig.

Wieso sind Sie träge?

In der Arbeit bin ich sehr fleißig. Nur bin ich auch froh, wenn irgendwelche Sachen nicht klappen, dann sag’ ich mir, es sollte einfach nicht sein – so einfach mach’ ich mir das – letztlich ist es auch so richtig. Das hat sicher seinen Grund – das ist wie Zug oder Flieger verpassen. Ich glaube, alles hat seine Bestimmung.

Soll das heißen, Sie haben noch nie nach einer Rolle gebaggert?

Nie. Es ist die viel bessere Voraussetzung, wenn man gewünscht wird.

Das bedeutet, alles anderen zu überlassen …

Eine Veränderung des Lebens muss man schon selber in die Hand nehmen. 1994 bin ich von den Münchner Kammerspielen weggegangen, um eine größere Theaterpause einzulegen. Das hatte private Gründe. Daraus ist eine sehr lange Pause geworden. Sieben Jahre habe ich nicht in München gespielt, ich fühlte mich nicht mehr inspiriert.

Was inspirierte Sie dann?

Eigene Abende, mein Berliner Satire-Programm, mein Berlin-Programm, dann hab ich mit Sigi Schwab „Liederliches“ erarbeitet, Leonard-Cohen-Songs und Nick-Cave-Geschichten zum Beispiel. Das hat mich wieder ganz lebendig gemacht. Dazu hin und wieder ein Fernsehspiel. Da war ich schön unabhängig von Theaterplänen, ich genoss den Kontakt mit dem Publikum. Es machte mir eine kindliche Freude. So einen Abend habe ich selbst in der Hand, das ist toll.

Kann es sein, dass Ihre nicht ausgelebte Jugend Ihnen heute hilft, kindlich zu bleiben?

Da könnten Sie Recht haben …

Ihr früher Filmpartner Peter Kraus hat vor kurzem geklagt, dass Sie ihn nie für voll genommen hätten, weil er so jugendlich aussah.

Stimmt. Ich habe Peter Kraus damals nie als richtigen Mann wahrgenommen. Er war nur ein Spielkamerad für mich. Aber ich sitze im Glashaus. Ich sah ja auch ewige Zeiten aus wie ein Teenager. Nur, dass ich Glück hatte. Meine Intendanten ließen mich auch ältere Rollen spielen. Ich habe oft meinem Alter vorausgespielt, nie rückwärts.

Das erfordert viel Reife und Vorstellungsgabe.

Im besten Fall muss man ohne Maske auskommen, die Physiognomie, die Körperhaltung hat sich dem jeweiligen Menschen anzupassen. Wenn ich Diven gespielt habe, war ich zwei Stunden vorher in der Garderobe und versuchte mich zu besinnen, hatte Parfüm oder einen speziellen Morgenmantel in der Garderobe, damit so langsam eine Figur entsteht oder wächst. Sieht man doch auch bei älteren Herren, wenn die junge Freundinnen haben, wie die einen anderen Gang, eine andere Haltung kriegen. Die Körperhaltung ist für mich das schönste Studium überhaupt. Wenn ein Mann an der Bar sitzt und ausladend gestikuliert, da denke ich mir immer, da stimmt was nicht.

Harald Schmidt meint, dass jeder sein Leben lang ein eigenes „inneres“ Alter habe. Er habe sich schon mit 20 wie 55 gefühlt. Kennen Sie auch so etwas?

Wenn ich nach meiner Mutter gerate, und vieles spricht dafür, dann kommt immer noch so etwas Kindliches. Die hat sich mit 80 manch- mal benommen wie ein Teenager. Bei mir schwankt das, manchmal komme ich mir uralt vor und dann wieder gar nicht. Das ist aber auch eine Energiefrage. Wenn ich das In- teresse verliere, werde ich müde … Mich strengt es auch an, auf Partys zu gehen, dieser Smalltalk – ich brauch’ den ganzen nächsten Tag zum Regenerieren.

Wie bereiten Sie sich auf Rollen vor?

Wenn ich Texte lerne, muss ich ganz allein sein. Zwischendurch sitze ich dann oben in meinem Zimmer und leg’meine Patiencen oder sortiere Wäsche. Neulich habe ich auch eine Woche lang Knöpfe sortiert, nach Größe und Farbe – wunderbar. Was ich ganz schwer vertrag’, ist Überinformation. „Tagesschau“ reicht mir und ein paar Dokumentarfilme. Das genügt mir als Information.

Und was ist mit Ihrem Berufsstand?

Ich will mit dem so genannten Karussell der Hitparaden nichts zu tun haben. Ich stehe auf keiner VIP-Liste, nicht mal auf der vom Bambi oder der Goldenen Kamera. Ich bin wohl von allen VIP-Listen gestrichen, weil ich nie gekommen bin.

Warum spielen Sie nicht mehr fest in einem Ensemble?

Ich werde nicht mehr fremdbestimmt. Irgendwann wollte ich keinen Urlaubsschein mehr unterschreiben und um Erlaubnis bitten, wenn man die kranke Mutter pflegen möchte.

Was war die glücklichste und was die unglücklichste Zeit Ihres Lebens?

Am unglücklichsten war ich in der Zeit als Teenager, weil ich weder Busenfreundin noch Eltern hatte, mit denen ich über meine Probleme reden konnte. Und glücklich bin ich jetzt gerade. Jetzt ist tatsächlich die beste Zeit meines Lebens. Und das liegt nicht nur daran, dass ich im Januar Oma werde.

Das Gespräch führte Michael Durwen.

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