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Medien: Pathos und Pirouetten

Seit fünf Jahren bringt der ZDFtheaterkanal die Welt der Bühne auf den Bildschirm. 2005 sind wieder große Theaterfilme geplant

Winzige Figuren agieren auf einer weit entfernten Bühne. Die Kameraeinstellung ist in Ehrfurcht erstarrt. Theater im Fernsehen beschränkte sich lange auf Bühnenaufzeichnungen, die anlässlich von Todestagen großer Dramatiker aus den Archiven geholt und erst entstaubt werden mussten. Tanz auf klassisches Ballett. Die Hochenergieleistung der Bühne präsentiert sich so auf dem Bildschirm nicht besonders spannend. Zu groß sind die Übertragungsverluste, es fehlen die Schnitte. Doch in jüngster Zeit mehren sich Produktionen, die herausstechen: Frank Castorfs „Dämonen“, eigens fürs Fernsehen gemacht, ist so eine oder Brechts „Baal“ in der TV-Adaption von Uwe Janson.

Verjüngt, beschleunigt und voller Emotionen wurde hier das Theater von der Bühne geholt und das vergessen geglaubte Genre der Theaterfilme wiederbelebt. Verursacher der Frischedusche: der ZDFtheaterkanal. Am 9. Dezember 1999 startete das ZDF den Spartensender als Teil seines digitalen Programmangebots und machte aus dem Lippenbekenntnis Bildungsauftrag gesendete Wirklichkeit. „Vorher gab es so gut wie kein Theater auf dem ZDF“, so Theaterkanal-Leiter Wolfgang Bergmann.

Noch ist es eine Minderheit, die den Sender via Kabel oder Satellit empfangen kann. Da für die Umwandlung der digitalen Signale ein zusätzliches Gerät, ein so genannter Decoder, erforderlich ist, erreicht der Sender nur zwölf Prozent der Bevölkerung. Dennoch profitieren viele Zuschauer indirekt von den Aktivitäten des Theaterkanals, der gleichzeitig Produzent aller Theatersendungen in der ZDF-Programmfamilie ist. Neuproduktionen sind auf Arte und 3sat sowie auf dem ZDF, Phoenix oder dem Kinderkanal für alle zugänglich. Das Theatermagazin „Foyer“ von und mit Esther Schweins und die Portrait-Sendung „Abgeschminkt“ sind auf 3sat, die Reihe „Theaterlandschaften“ zudem auf Arte zu sehen. Umgekehrt bedient sich der Theaterkanal bei den Dokumenten von ZDF, ORF und SRG. „Wir wollen den Archivschatz sukzessive heben“, so Bergmann. Die übrige Sendezeit zwischen neun und 24 Uhr füllt der Sender mit aktuellen Inszenierungen, Konzertmitschnitten, Literaturverfilmungen und Dokumentationen – sowie jeder Menge Wiederholungen. „Wir müssen noch Erfahrungen sammeln, wie man in der digitalen Vielfalt mit Hunderten von Sendern ein Special Interest Programm gestaltet“, rechtfertigt Bergmann das Schleifenprogramm.

Fünf Jahre sind eine zu kurze Zeit, um beschaulich zurückzublicken, dennoch sind einige Erfolge des Senders festzuhalten. „Wir haben ein sehr aktives Publikum, das in erstaunlicher Zahl mit uns in Kontakt tritt“, so Bergmann. Die Zahl der Theaterproduktionen fürs Fernsehen sei insgesamt stark gestiegen. Auch ist manches entstanden, das bei Kulturinteressierten haften blieb: Goethes „Faust“ in der Marathonversion von Peter Stein, die Wormser „Nibelungen Festspiele“ oder die Grimme-preisgekrönte Dokumentation „Die Bühnenrepublik“ über das Theater in der DDR.

Auch für 2005 sind wieder große Eigenproduktionen geplant: Darunter eine Verfilmung des umstrittenen und zigfach zensierten Dramas um die femme fatale „Lulu“ von Frank Wedekind. Regie führt auch hier wieder Uwe Janson. Ein fiktives Hotel mit unendlichen Fluren und ausufernden Stockwerken ist die von ihm gewählte Kulisse für das bizarre Spiel um die männermordende Lulu. Einen weiteren aufregenden Theatertext für eine Verfilmung liefert im nächsten Jahr Maxim Gorkis „Nachtasyl“. Esther Schweins wird darin zu sehen sein sowie der bekannte TV-Schauspieler Armin Rohde.

Anlässlich des Gedenkjahres zum 200. Todestag des Dramatikers soll zudem Friedrich Schillers „Kabale und Liebe“ verfilmt werden. Nach Kinoerfolgen wie „Sonnenallee“ und „Herr Lehmann“ will Regisseur Leander Haußmann Schillers „deutschestes, interessantestes und perfektestes Stück“ in „historischem Gewande“ auf den Bildschirm bringen, wie er laut 3sat auf der Frankfurter Buchmesse ankündigte. Geplant sind die Dreharbeiten für Mai, die Ausstrahlung für Oktober.

„Gauklersonate“, 1. Januar, 16 Uhr 45, 3sat, ein artistisches Varieté, aufgezeichnet vom ZDFtheaterkanal.

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