zum Hauptinhalt
Perlentaucher

© Tsp

Perlentaucher: Fremde Federn?

"FAZ" und "SZ" klagen, weil der Perlentaucher ihre Buchrezensionen verkauft.

Zum Beispiel das neue Buch von Donald McCaig. „Rhett“ heißt es und handelt vom Filmhelden Rhett Buttler, der in dem Epos „Vom Winde verweht“ der Südstaatenschönheit Scarlett O’Hara den Kopf verdrehte. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) wurde das Buch am Montag als überflüssig bezeichnet. Und auch die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) rezensierte „Rhett“ vergangene Woche auf ihren Literaturseiten. Zu lesen ist das nicht nur in den Feuilletons der beiden großen Tageszeitungen, sondern auch auf Perlentaucher.de.

Das Internetportal bietet einen täglichen Überblick über die Feuilletonseiten verschiedener Blätter. Täglich ab 14 Uhr werden hier auf zehn bis 15 Zeilen bis zu 20 Kritiken der überregionalen Zeitungen gebündelt. Perlentaucher veröffentlicht diese sogenannten „Rezensionsnotizen“ allerdings nicht nur auf der eigenen Homepage, sondern verkauft sie auch an den Internetbuchhändler Buecher.de weiter.

Das finden „FAZ“ und „SZ“ nicht gut. Sie meinen, dass der Perlentaucher mit ihrem „Geistesgut“ Geld verdiene. Deshalb haben die beiden Zeitungsverlage das aus Berlin stammende Internetportal verklagt. Juristisch werfen sie dem Perlentaucher vor, mit seinen Zusammenfassungen der Buchrezensionen Urheber-, Wettbewerbs- und Markenrechte zu verletzen, indem er die prägnanten Formulierungen aus den Zeitungstexten übernehme und lediglich mit Füllwörtern verbinde. Der Perlentaucher hält dagegen und sagt, dass seine Inhaltsangaben eigene Werke seien, „Kritiken der Kritiken“ sozusagen. Und deshalb dürften sie diese Texte auch an Dritte wie Buecher.de weiterverkaufen.

Vor knapp einem Jahr haben sich die streitenden Parteien bereits vor dem Landgericht Frankfurt am Main getroffen. Damals entschieden die Richter, dass weder das Urheber- noch das Wettbewerbs- oder Markenrecht von „FAZ“ und „SZ“ verletzt werde, wenn Perlentaucher Buchkritiken der Zeitungen zusammenfasst und diese an Dritte weiterverkauft.

Dagegen sind die Verlage aus Frankfurt und München in Berufung gegangen und haben in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main geklagt. Heute wird das Urteil gesprochen – und der Verlauf der mündlichen Verhandlung vom 9. Oktober lässt vermuten, dass der Perlentaucher dieses Mal gegen „FAZ“ und „SZ“ verlieren wird.

Dass die Richter so unterschiedlich urteilen, liegt am komplizierten Sachverhalt. Der Streit dreht sich um eine Frage, die juristisch noch nicht geregelt ist: Wie viel eigene „geistige Leistung“ muss in einen Text einfließen, damit von einem neuen Werk gesprochen werden kann, das weiterverkauft werden darf?

Anwalt Simon Bergmann vertritt den Perlentaucher und meint, dass jedermann berechtigt sei, Inhaltsbeschreibungen beziehungsweise Zusammenfassungen zu erstellen, sobald das Ursprungswerk veröffentlicht wurde. Erst wenn sie die Lektüre des Ursprungswerks ersetzen, seien sie unzulässig. Dies sei beim Perlentaucher nicht der Fall. Dessen Rezensionsnotizen würden vielmehr dazu anregen, den kompletten Zeitungsartikel aus „FAZ“ und „SZ“ zu lesen. Zwar ließe sich nicht vermeiden, dass in den Perlentaucher-Notizen manche prägnante Begriffe der Originaltexte verwendet würden, doch seien die Texte eigene Werke und keine Übernahmen der Originalkritiken. Deshalb sei das Urheberrecht nicht verletzt.

„FAZ“ und „SZ“ sind dagegen überzeugt, dass die Rezensionsnotizen eine ersetzende Funktion haben. Wer bei einem Online-Buchhändler die Perlentaucher-Notiz lese, würde gleich seine Bestell-Entscheidung treffen, nicht aber erst noch auf die Originalkritik zurückgreifen. Und um zu verdeutlichen, dass die Perlentaucher-Notizen ihre Urheberrechte verletzten, haben die Verlage dem OLG jeweils zehn Beispielnotizen vorgelegt. Sie enthalten viele Textstellen der Originalkritiken. Auf Grundlage dieser Beispiele wird heute das Urteil gefällt. Die Anträge der Kläger haben jeweils verschiedene Reichweiten – „FAZ“ und „SZ“ betonen, dass sie die „Rezensionsnotizen“ keineswegs komplett verbieten wollen. Es gehe ihnen vielmehr darum, den Weiterverkauf der Zusammenfassungen an Dritte zu untersagen.

Perlentaucher-Chef Thierry Chervel hofft, dass die Kooperation mit Buecher.de weiter bestehen bleiben darf. Diese Einnahmen seien für den Perlentaucher „sehr wichtig“. Doch egal wie die Richter heute entscheiden – der Fall ist voraussichtlich noch nicht beendet. Sollte das OLG eine Revision zulassen, haben beide Seiten bereits ihren Gang zum Bundesgerichtshof (BGH) angekündigt, egal welche Partei heute verliert. Dann muss der BGH entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen Inhaltsbeschreibungen und Zusammenfassungen fremder Werke zulässig sind.

Zur Startseite