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Medien: Pfiff der Woche

Auch „Sportschau“ und „Sportstudio“ müssen mit dem Liga-Skandal umgehen

Der erste Blick dürfte in die Fankurve gehen. Wenn sich der ZDF-Reporter Béla Réthy heute Nachmittag in Stuttgart ans Mikrofon setzt, seine Arbeit im Gottlieb-Daimler-Stadion aufnimmt, ein ganz normales Bundesligaspiel übertragen und fürs „Sportstudio“ am Abend zusammenfassen will, dann ist das nicht mehr ganz normal. Die Fußball-Bundesliga im Fernsehen – auch hier wird vieles anders sein als noch vor einer Woche. Anders wahrgenommen, anders beobachtet, anders erklärt werden. Nach dem Schiedsrichterskandal um manipulierte Spiele müssen sich auch Sportreporter und Sender Fragen stellen. Wie soll man mit dem Spiel umgehen, mit dem vielleicht seltsam pfeifenden Schiedsrichter, dem sich seltsam verhaltenen Spieler, dem dummen Eigentor?

Die Spielberichte in der „Sportschau“ sollen jedenfalls einen etwas anderen Zuschnitt haben, sagt „Sportschau“-Chef Steffen Simon. „Wir werden noch mehr Reaktionen und Stimmungen der Fans einfangen.“ Man dürfe aber eines nicht vergessen: „Nach dem derzeitigen Stand der Dinge ist die Erste Liga sauber.“ Man halte sich an Tatsachen. „Das kann am Samstagnachmittag natürlich schon ganz anders aussehen.“ Keine leichte Vorbereitung also für Simon und die große Bundesliga-Sendung im Ersten. „Wir machen der Liga aber überhaupt keinen Vorwurf. Die DFL kann nichts dafür. Schließlich war es der DFB, der den Vorwürfen gegen Schiedsrichter vor fünf Monaten nicht richtig nachgegangen ist.“

Die Reporter draußen im Stadion haben sich auf eine neue Situation einzustellen. „Klar, unterbewusst gehe ich da heute schon mit intensiverem Auge heran“, sagt Béla Réthy. Wichtig sei für den Reporter jetzt vor allem die Frage: Wie reagieren die Fans? „Rufen die bei jeder Fehlentscheidung: ,Oddset!’?“ Und wie geht man dann darauf ein? Verdirbt man sich durch Miesepeterei das ganze Spiel? Réthy ist ein alter Hase, kommentierte große Turniere, aber diese Situation ist auch für ihn neu. Und nach Schiedsrichter Hoyzers Geständnis sollen weitere Schiedsrichter in Manipulationen verwickelt sein. Vielleicht sogar Spieler, vielleicht sogar auch bei Rethys Partie heute, Stuttgart gegen Nürnberg. „Ich bin einfach nur traurig, auch als Liebhaber der Sportart“, sagt Béla Réthy.

Ganz so traurig wird es im „Sportstudio“ nicht werden. Moderator ist Michael Steinbrecher. Mit dem „Pfiff des Tages“ hat das ZDF eine vertrauensbildende Maßnahme im Programm: Schiedsrichterentscheidungen unter der Lupe, ein Abgleich mit dem Regelwerk: Wie sich zeigt, einst eine seherische Format-Entscheidung des ZDF. „Nun wird jede Fehlentscheidung natürlich doppelt beäugt“, sagt Sportchef Dieter Gruschwitz. Gäste sind DFB-Präsident Theo Zwanziger und Chef-Schiedsrichter Hellmut Krug. Schade nur, dass Michael Palme nicht mehr dabei ist. Kein reinigender Bundesliga-Kommentar.

Viel Arbeit und Ungewissheit also für die TV-Sportredaktionen, auch für das Deutsche Sport Fernsehen (DSF). Der Sportwetten-Anbieter Oddset betreibt Sponsoring beim Münchner Privatsender, mitveranstaltet regelmäßig einen „Experten-Tipp“. Auch wenn der Anbieter genauso legal ist wie betandwin.de – ein fader Beigeschmack bleibt nach dieser Woche schon, wenn der Zuschauer Bundesligaspiele (oder sogar Wetten) im Fernsehen von einem Sportwetten-Anbieter präsentiert bekommt. „Unsere Fußballformate werden sich auf jeden Fall der Thematik annehmen“, sagt DSF-Sprecher Jörg Krause. Dabei sollen „alle Aspekte des Falles Hoyzer“ beleuchtet werden. Im „Doppelpass“ am Sonntagvormittag werde Hoyzers Anwalt zugeschaltet.

Richtig behaglich ist es auch Marcel Reif, einem der profiliertesten Kommentatoren, nicht. „Man fragt sich schon, wie gehst du damit um?“, sagt der „Premiere“-Mann. „Ich hoffe: professionell.“ Er wisse nicht, was passiert, wenn es extreme Fehlentscheidungen zu kommentieren gebe. „Ob ich es schaffe, mich von Zweifeln frei zu machen?“ Einen Satz werde er sich nicht verkneifen können: „Wetten, dass der Schiri Recht hat?“ Radioreporter Manfred Breuckmann geht seinen Job heute anders an. Er kommentiert Dortmund gegen Gladbach. „Ich komme mit einem gewissen Ärger ins Stadion. Aber ich werde den Teufel tun und bei schwierigen Schiedsrichterentscheidungen eine verengte Perspektive einnehmen wie die Fans, eher im Gegenteil.“

„Sportschau“, ARD, 18 Uhr 10; „Sportstudio“, ZDF, 22 Uhr 30; „Doppelpass“, Sonntag, DSF, 11 Uhr

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