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Medien: Polen kompakt

Axel Springer Verlag will mit „Dziennik“ das führende Zeitungshaus des Landes werden

Der Vorwärtsdrang des deutschen Axel Springer Verlags scheint in Polen keine Grenzen zu kennen. „Polen, Europa, die Welt“ ist das vielsagende Motto der neuen Tageszeitung „Dziennik“, mit der der deutsche Medienriese im Nachbarland zu einer neuerlichen Marktoffensive bläst. Mit dem „Dziennik“ („Tageszeitung“), der am Dienstag zum ersten Mal erschienen ist, hofft Springer nicht nur, sich nun auch auf Polens Markt der Qualitätszeitungen zu etablieren: Mit der Lancierung des „Welt“-Ablegers wollen die Berliner dem heimischen Platzhirsch, dem Verlag Agora, endgültig die Position den Marktführers auf dem hart umgekämpften Zeitungsmarkt abluchsen.

„Interessent, lesbar und überparteilich“ solle der „Dziennik“ sein, erläuterte Chefredakteur Robert Krasowski in seinem ersten Editorial die Zielsetzung des Blattes. Das Bekenntnis zu Demokratie, Marktwirtschaft und der prowestlichen Ausrichtung des Landes garnierte er mit der Versicherung, dass die Redaktion „niemanden erziehen oder überzeugen“ wolle: „Für uns ist nicht wichtig, ob jemand rechts oder links ist. Wir sind Journalisten – und das verpflichtet uns, lesbar für alle zu schreiben.“

Den Schrifttyp des Zeitungstitels scheint ein wenig der deutschen „Zeit“ abgekupfert. Doch bei Format und Aufmachung orientieren sich die Blattmacher des „Dziennik“ klar an der „Welt Kompakt“. Fast das gesamte politische Spektrum kommt in der sorgfältig gemachten Erstlingsausgabe zu Wort. Der blaue Erdenball im Blatt bleibt vorerst eine eher leere Verheißung. Bei der Suche nach Korrespondenten ist die Redaktion offenbar noch nicht so fündig geworden: Alle Auslandsberichte wurden in den Redaktionsstuben in Warschau verfasst.

Wie bei der erfolgreichen Lancierung des Wochenblattes „Newsweek Polska“ (2001) und des Boulevardblattes „Fakt“ (2003) setzt Springer auf seine Kapitalkraft: Zum Dumpingpreis von 1,50 Zloty (38 Cent) haben die Deutschen den Zeitungsneuling in unbekannter Auflage auf den Markt gebracht. Um Verkaufs- und Werbeerlöse muss vor allem der Agora-Konzern bangen, der bislang mit der liberalen „Gazeta Wyborcza“ (verkaufte Auflage im Februar: 423 000 Exemplare) Polens größte Qualitätszeitung herausgibt.

Springer hatte mit „Fakt“ (verkaufte Auflage im Februar: 529 000 Exemplare) der „Gazeta Wyborcza“ bereits den Titel der größten Zeitung des Landes abgeluchst. Der Versuch des Agora-Konzerns, mit der Herausgabe einer eigenen Boulevard-Zeitung („Nowy Dzien“) in die Offensive zu gehen, scheiterte kläglich. Nach nur drei Monaten wurde deren Erscheinen im Februar wieder eingestellt. Mit der Absenkung des Verkaufspreises auf ebenfalls 1,50 Zloty hofft die „Gazeta Wyborcza“, im Konkurrenzkampf gegen den „Dziennik“ bestehen zu können. Weniger begeistert von der Minderung der Einnahmen zeigen sich indes die Anleger: Nach der Ankündigung der Preissenkung sackte der Agora-Kurs an der Warschauer Börse um sieben Prozent.

Obwohl der Kampf um Leser und Werbekunden in Polen noch härter werden dürfte, kann die eher qualitätsarme Zeitungslandschaft des Landes einen neuen Titel durchaus vertragen. In Polen gebe es noch immer zu wenig „ernsthafte Zeitungen“, konstatiert Olejniczak, Chef der oppositionellen Sozialdemokraten: Schon allein aus diesem Grund sei eine neue Qualitätszeitung „nützlich“.

Thomas Roser[Warschau]

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