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Zwei Mann in einem Boot. In nächster Zeit werden die Ex-„Polizeiruf“-Kommissare Jaecki Schwarz (re.) und Wolfgang Winkler mehr Gelegenheiten haben, herumzuschippern, Theater zu spielen oder aus ihrem Buch „Herbert & Herbert“ vorzulesen. Foto: MDR

© MDR/Steffen Junghans

"Polizeiruf" ade: Kommissar Schmücke geht in Rente

Nach 17 Jahren hat sich Kommissar Schmücke den Ruhestand verdient. Auch wenn sich Schauspieler Jaecki Schwarz seinen Abgang etwas spektakulärer gewünscht hätte. Ein Besuch bei dem Ur-Berliner.

Jaecki Schwarz wäre gern erschossen worden. So wie alle großen Helden in klassischen Romanen am Schluss sterben müssen, wollte er auch sein tragisches Ende finden. Hamlet, Werther, Ferdinand. Diesen Wunsch hat man ihm nicht erfüllt. In seinem letzten Auftritt als Hauptkommissar Herbert Schmücke im „Polizeiruf 110“ verabschiedet sich Jaecki Schwarz auf einem Boot in die Pensionierung. Mit einer Kapitänsmütze auf dem Kopf, den Freund und Kollegen Wolfgang Winkler an seiner Seite, fährt er lebend aus dem letzten Bild. „Na ja“, sagt er, „wir waren eben auch nicht Schiller. Das muss ich einsehen. Insofern ist das schon okay so.“

17 Jahre lang hat Jaecki Schwarz als Kommissar in Halle ermittelt. Am Sonntag Abend läuft die 50. Folge, eine runde Zahl, die zugleich die Geschichte von Herbert & Herbert beschließt. „Laufsteg in den Tod“ heißt ihre Abschiedsvorstellung, die sie zwischen langbeinigen Grazien und Biestern im Modemilieu geben. Das Kriminalistenduo Herbert Schmücke und Herbert Schneider fahndet in gewohnt bedächtiger Weise. Oft wurden die beiden für ihr unspektakuläres Auftreten kritisiert: zu betulich, altväterlich, langweilig,. „Ab in den Ruhestand“ forderten einige Feuilletonisten. Nun ist es so weit: Halle hat als Drehort für Verbrechen ausgedient, in Zukunft geht der MDR in Magdeburg auf Gangsterjagd. Den Auftrag dafür erhielten Claudia Michelsen und Sylvester Groth. „Mit der neuen Besetzung hat die Redaktion Geschmack bewiesen“, sagt Jaecki Schwarz.

Der Schauspieler sitzt in seiner Wohnung im 8. Stock eines Neubaus in Berlin-Mitte. Er hat zum Kaffee eingeladen. An seiner Wohnungstür hängt eine Postkarte mit dem Bild eines voluminösen Pärchens und dem Spruch des österreichischen Komponisten Georg Kreisler: „Als wir noch dünner waren, standen wir uns näher.“ Seit Jaecki Schwarz vor drei Jahren wegen einer Lungenentzündung das Rauchen aufgegeben hat, hat er zugelegt. Seine Hose wird von Trägern gehalten, unter seinem blau-weiß-gestreiften Hemd wölbt sich ein üppiger Bauch. „Ich esse alles, was schmeckt“, sagt er. Ob Kohlrouladen nach dem Rezept seiner Oma oder Nouvelle Cuisine – für jemanden, der neben dem Rauchen auch das Trinken aufgegeben hat, hat Essen eine besondere Bedeutung. Seit 24 Jahren ist er trockener Alkoholiker, seinen letzten Schluck trank er am 9. November 1989. „Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit“, sagt Jaecki Schwarz und lacht. Mit diesem Spruch ist er in der DDR aufgewachsen, irgendwie ist er auch bestimmend für sein Leben geworden.

1946 wurde Jaecki Schwarz in Berlin-Köpenick geboren. Es gab keinen Jungen in seiner Umgebung, der so hieß wie er. Den Vornamen hat er seiner Großmutter und auch einer Standesbeamtin zu verdanken. Seine Oma war ein Fan von Charlie Chaplin und dessen Film „The Kid“, in dem der Kinderstar Jackie Coogan auftrat. Wie aber spricht man Jackie deutsch richtig aus? Die Standesbeamtin entschied sich für Jaecki. Schon in der Schule fiel Jaecki als Pausenclown auf, später spielte er im Schultheater und im Jugendclub. Mit 19 studierte er an der Babelsberger Hochschule für Film und Fernsehen in einem Jahrgang mit Michael Gwisdek und Renate Krössner. Sehr schnell lernte er, dass die Schauspielkunst einen einfachen, pragmatischen Kern hat. „Du gehst, du machst das und dann sagst du den Satz – dafür musst du nicht begabt sein. Das ist Technik und eine Frage der Konzentration.“

Jaecki Schwarz ist ein guter Gastgeber. Eingehende Telefonanrufe würgt er schnell ab, er schenkt Kaffee nach und gewährt einen Blick von seiner riesigen Dachterrasse. Von hier aus kann man Berlin in alle Himmelsrichtungen betrachten, man sieht den Funkturm, den Reichstag, die russische Botschaft und den Teufelsberg. Im Sommer kann er nackt auf der Terrasse in einem Strandkorb sitzen, ohne dass ihn jemand entdeckt. Seit sechs Jahren wohnt er in diesem Himmel über der Stadt, und ein bisschen über seine Verhältnisse, wie er gesteht.

Weniger zu tun, bekommt ihm ganz gut: "Ich bin nicht so eine Rampensau"

Er war Student, als Regisseur Konrad Wolf ihn 1967 für seinen autobiografischen Film „Ich war neunzehn“ engagierte. Darin spielte er Gregor Hecker, der als Achtjähriger mit seinen Eltern vor den Nationalsozialisten aus Deutschland nach Moskau geflüchtet war. Im Frühjahr 1945 kehrt er als Leutnant der Roten Armee zurück. Er schämt sich für seine Landsleute und deren Taten, gleichzeitig erkennt er, dass nicht alle Deutsche Schuldige sind. Der Film gehört zu den besten der DEFA-Geschichte. „Ich schaue ihn mir einmal im Jahr an“, erzählt Jaecki Schwarz. „Obwohl er 50 Jahre alt ist, ist er immer noch zeitlos. Ich hatte großes Glück, dass Konrad Wolf in mir das gesehen hat, was er für den Film suchte.“ Unter 80 Mitbewerbern ist die Wahl auf Jaecki Schwarz gefallen. So ist er als Gregor Hecker in Erinnerung geblieben: Glaubwürdig in seiner Naivität und unschuldig schön, ein Tony Curtis der DDR, wenn auch blond und mit braunen Augen.

Sucht man im Internet nach Bildern des Schauspielers, dann sieht man Jaecki Schwarz vor allem in zwei Rollen: als Leutnant der Roten Armee und als Hauptkommissar aus Halle, Gregor Hecker neben Herbert Schmücke. So schnell kann man alt werden, kaum etwas dazwischen, als hätte die Schallplatte einen großen Sprung. Fünf Jahre spielte Jaecki Schwarz nach seinem Studium am Theater in Magdeburg, den Romeo in „Romeo und Julia“, den Puck im „Sommernachtstraum“. Von 1974 an bis 1997 gehörte er zum Berliner Ensemble, neben dem Theater spielte er in über 50 Filmen. Richtig populär wurde er erst in der Crime-Time der ARD. Ein bisschen ist es so, als würde man sich nach 17 Jahren Dienstzeit heute Abend nicht nur von Kommissar Herbert Schmücke, sondern auch vom Schauspieler Jaecki Schwarz verabschieden.

„Ich habe mich an die neue Situation gewöhnt“, sagt er. „Ich hatte ja schon im letzten Jahr wenig zu tun. Das bekommt mir auch, ich bin nicht so eine Rampensau. Ich gehe nervlich nicht kaputt oder falle in depressive Löcher." Über Neujahr reiste er nach Dubai. Er ist oft unterwegs: Tahiti, Bora Bora, Malediven. Bis vor drei Jahren hat er noch leidenschaftlich getaucht. Er knipst das Licht in einer Glasvitrine an, alles voller Muscheln. „Habe ich selbst gefunden“, sagt er stolz, „im südchinesischen Meer, im Pazifik, im Indischen Ozean, im Roten Meer, in der Ostsee und in der Nordsee.“

Am Dienstag feierte Jaecki Schwarz Geburtstag. „Da geh’ ick immer fein“, sagt er. Er war mit Freunden dinieren, im Restaurant „Dressler“ Unter den Linden. Er ist 67 Jahre alt, hat auf seinem rechten Auge noch 20 Prozent Sehkraft, aber er findet: „Das ist die positive Seite meines Berufs, dass man ihn lange ausüben kann. Es gibt einen alten Theaterspruch: Solange man sich den Text merkt und nicht an die Möbel stößt, kann man immer noch spielen.“ Im Moment tourt Jaecki Schwarz zusammen mit Wolfgang Winkler quer durch die (Ost-)Republik: Königs Wusterhausen, Chemnitz, Quedlinburg, Leipzig, Wolfen, Gera. Die Kommissare a. D. lesen aus ihrem Buch „Herbert & Herbert“. Im nächsten Jahr werden die beiden „Warten auf Godot“ am Theater in Halle spielen. Dann ist Jaecki Schwarz 68. „Man sollte wissen, wann man als Schauspieler nicht mehr auf die Bühne zu gehen hat.“ Als Tattergreis will er dort nicht abtreten. Er hofft darauf, dass die Leute seines Vertrauens ihm Bescheid geben, wenn die Zeit gekommen ist, Schluss zu machen.

„Polizeiruf 110“, ARD, 20 Uhr 15

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