zum Hauptinhalt
Trifft im Heim auf sein Alter Ego: Hanns von Meuffels (Matthias Brandt).

© die film gmbh/Hendrik Heiden

"Polizeiruf" mit Matthias Brandt: Eine schlaflose Nacht

Blutiges Finale: Matthias Brandt ermittelt im Münchener „Polizeiruf“ in einem Seniorenheim. Hanns von Meuffels trifft dabei einen alten Bekannten.

Hanns von Meuffels im Bademantel schlurft auf Hanns von Meuffels im Anzug zu. Das Alter Ego ist sein älteres Ich, gebeugt, mit wirrem Haar und zugekniffenen Augen. Ganz dicht geht es heran an das Gesicht des Kommissars. „Du Arschloch“, raunzt die Vision, dreht sich um und schlurft wieder davon. Mehr haben sich die beiden offenbar nicht zu sagen. Im Seniorenheim Johannishof begegnet von Meuffels im Traum seiner wenig verheißungsvollen Zukunft. Vielleicht verfolgt er auch deshalb, aus Furcht vorm eigenen Altern, derart hartnäckig den vermeintlich gewaltsamen Tod eines Heimbewohners, den eine demenzkranke Frau gesehen haben will.

Der Münchener „Polizeiruf 110 – Nachtdienst“ erzählt die Ereignisse, die sich in einer einzigen Nacht im Johannishof zutragen. Ein meisterhaft dichter Film über die Überforderung des Pflegepersonals und die Vernachlässigung der Heimbewohner (auch durch ihre Angehörigen und die Politik). Mit interessanten Figuren, einem beeindruckenden Ensemble, wunderbarer Musik, aber mit einem fragwürdigen, blutigen Finale, auf das das Publikum gleich zu Beginn mit einer Vorblende vorbereitet wird.

Lange Zeit klärt der Film durch eine differenzierte, gelegentlich überspitzte und tragikomische Darstellung des Alltags in einem Seniorenheim auf. Die Alten sind nicht nur bedauernswert, sondern auch witzig, schlagfertig – oder aggressiv. Die Pfleger sind keine gleichgültigen Roboter. Mit dem makabren Thriller-Ende bringen die Autorinnen Ariela Bogenberger und Astrid Ströher sowie Regisseur Rainer Kaufmann zwar einen Extra-Schuss Spannung, schwingen aber die ganz dicke pädagogische Keule. Es scheint so, als würden die Macher der Überzeugungskraft des eigenen Films ohne einen Schockeffekt nicht trauen.

Wo Menschen, Orte und Zeit durcheinanderpurzeln

Davon abgesehen ist allein das Zusammenspiel von Matthias Brandt und der 78 Jahre alten Elisabeth Schwarz als demenzkranker Tatzeugin ein Vergnügen. Elisabeth Strauß (alias Schwarz) büxt aus dem Heim aus und taucht im Bademantel vorm Polizeipräsidium auf, den Taxifahrer im Schlepptau, der ihren falschen Fünfziger partout nicht annehmen will. Strauß erzählt von einem Mann, der nach einem Schlag gestürzt und gestorben sei, aber was heißt das schon bei einer Zeugin, in deren Erinnerung Menschen, Orte und Zeit durcheinanderpurzeln.

Blaublüter von Meuffels gibt den Kavalier und bringt die resolute Dame („Also für einen Kommissar sind Sie ziemlich schwer von Begriff, mein Lieber“) erst zu ihrer Tochter Hannah (gespielt von Elisabeth Schwarz’ wirklicher Tochter Therese Hämer), dann zurück ins Seniorenheim.

Dort rennen Pfleger ohne Pause über die Flure. Bewohner irren umher, werden mit Schlafmitteln ruhiggestellt oder fixiert. „Nie, nie ist genug Zeit“, sagt die Pflegerin Marija Abramovic (Marina Galic). Es ist eine schlaflose Nacht mit einem schlaflosen Kommissar. Einmal sitzt von Meuffels am Bett eines Mannes, als der seinen letzten Atemzug tut. „Lassen Sie Ihre Leute immer allein beim Sterben?“, fragt er vorwurfsvoll Pfleger Sebastian Kroll (Philipp Moog).

Seine Vorbehalte gegenüber dem Pflegepersonal geraten mit der Zeit ins Wanken angesichts der Zustände, die er hautnah beobachtet, aber der Polizist fordert Aufklärung über die Umstände des Todes des unbeliebten Herrn Urban. Dann springt von Meuffels selbst rüde mit den Alten um. Elisabeth Strauß bedrängt er derart mit Fragen, dass er sich eine Ohrfeige fängt.

Ein Film auch als Warnung vor Altersarmut. Die Fotos in den Zimmern zeugen von Familie, verflossener Liebe und ereignisreichem Leben. Wenn Elisabeth Strauß Klavier spielt wie früher, kann es passieren, dass sie vergeblich nach einer vergessenen Note tastet – und in einem klaren Moment ihre Lage erkennt. „Das war’s dann, oder?“, fragt sie von Meuffels traurig.

„Polizeiruf 110 – Nachtdienst“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 25

Zur Startseite