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Die Beamten der Polizeiinspektion 25, schwer verdächtigt von Hauptkommissar Hanns von Meuffels (Matthias Brandt, Mitte).

© BR

"Polizeiruf110": Diskussionen um Krimi mit Matthias Brandt

ARD betritt mit Aufnahmetechnik Neuland: Viel Verwunderung über Ton und Polizistenbild im Primetimekrimi mit Matthias Brandt.

Wieder mal ein Sonntagskrimi, der die TV-Gemeinde spaltet: der jüngste „Polizeiruf“ mit Matthias Brandt als Ermittler. „Herausragend“, „toller Film!“, „einfühlsam inszeniert“, sagen die einen. „Wirr, laienhaft“, „überbewertet“, „schwer erträglich“ kritisieren andere den Krimi über den Mord an einen Transsexuellen – umgekommen unter brutalen Umständen, in Polizeigewahrsam.

Fernsehfilme mit Matthias Brandt sind immer schon was Besonderes. Für seine Darstellung des aus dem Norden zugereisten Münchner Kommissars Hanns von Meuffels gewann er bereits Bambi und Bayerischen Fernsehpreis. Kritiker waren auch diesmal vorab voll des Lobes. Die Episode „Der Tod macht Engel aus uns allen“ erreichte allerdings nur eine relativ niedrige Zuschauerzahl, war am Sonntagabend aber immerhin Quotensieger. Im Schnitt 6,64 Millionen Menschen schalteten ab 20 Uhr 15 den Krimi ein, mehr als das parallel laufende EM-Spiel der deutschen Frauenfußballnationalmannschaft (5,93 Millionen Zuschauer). Damit hatte der Münchner „Polizeiruf“ einen Marktanteil von 21,7 Prozent.

Auch bei Facebook erhitzte der Film des Bayerischen Rundfunks (BR) die Gemüter. Es gab viel Lob für die mutigen Darsteller, die beklemmende Atmosphäre und die spannende Story. Kritik löste dagegen der wilde Schnitt und vor allem die Tonqualität aus. Das sei ja wie bei einem schlechten Hörgerät und total vernuschelt, schrieben User – „eine Qual beim Zusehen und -hören“.

Folgen eines Experiments. „Das, was manche Zuschauer als schlechte Tonqualität wahrgenommen haben, hat dramaturgische Gründe: Es wurde auf die sonst üblichen, kleinteilig vorgegebenen Bewegungsabläufe für die Schauspieler verzichtet“, sagt eine Sprecherin des BR. Auf diese Weise hätten die Schauspieler ihren Spielimpulsen spontaner folgen können, wurden nicht durch enge choreografische Vorgaben gebremst. „Allerdings hat dies für den Kameramann und den Tonmann große Konsequenzen, da sie auf nicht vorhersehbare Bewegungen und Reaktionen unvermittelt reagieren mussten.“ Da diese Arbeitsweise eher unüblich sei, werde an der Perfektionierung dieser Form noch zu arbeiten sein. Gewöhnungsbedürftig auch die hier dargestellte Welt der Polizei: ein System struktureller Gewalt und männerbündischer Verschwiegenheit, das man sonst aus den Krimis von Dominik Graf kennt. Am Ende sind die Polizisten brutale Mörder – und kommen auch noch frei davon.

Am Ende sind hier die Polizisten brutale Mörder

Mit der Realität der Beamten habe das wenig zu tun, sagt Peter Schall, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in Bayern. Die starre Zugehörigkeit zu einer Dienst-Schicht sei längst abgeschafft: „In Zeiten von flexiblen Arbeitszeitmodellen und ständiger Rotation zwischen den Dienststellen können solche verkrusteten Männergemeinschaften gar nicht mehr entstehen.“ „Polizeiruf“ oder „Tatort“ seien für die meisten Beamten sowieso reine Unterhaltung.

Oder Kunst. Lars Eidinger, der hier die Transsexuelle und Freundin des Opfers spielt, wird mit seinem Auftritt im Gedächtnis bleiben. Auch dank ihm konnte der Zuschauer am Sonntag nicht mit dem beruhigenden Gefühl ins Bett gehen, dass im deutschen Primetimekrimi das Gute über das Böse siegt. Zudem sich Kommissar von Meuffels auf einen zweifelhaften Deal mit Mördern einließ. „Wenn der Zuschauer ein wenig später schlafen geht, weil er sich fragen muss, welche Position er selbst einnimmt, ist unser Ziel erreicht“, sagt Regisseur Jan Bonny. Fernsehen im Sommer kann gut sein. Jetzt muss nur noch der Ton besser werden.

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