zum Hauptinhalt
„The sexiest Witznummer alive“. In seinem Clownskostüm erkennt Kurt Krömer jeder, ob er Bart trägt oder nicht. Foto: ARD

© rbb/Daniel Porsdorf

Porträt: "Ey Kurt, ich sehe alle deine Sendungen"

Jetzt, da Knut tot ist, ist Kurt Krömer Berlins liebstes Maskottchen. Aber Krömer haut ab, der will nicht mehr Fernsehstar sein.

Kurt Krömer sitzt an der Gedächtniskirche, das Europacenter fest im Blick. Ohne Brille, ohne Bart, ohne auffälligen Zweireiher. Nur das Berlinern hat er nicht abgelegt. Vor ihm hocken Hütchenspieler und spähen nach Kundschaft. Gleich daneben tanzen ein paar Jungs Breakdance. An diesem Ort wirkt die Zeit wie vor dreißig Jahren, mitten in den 80ern, als Kurt Krömer noch Alexander Bojcan hieß und keine Fans hatte.

Zum Ku’damm hat Kurt Krömer eine besondere Beziehung. Deshalb wollte er sich hier verabreden und nicht in Neukölln, wo er aufgewachsen ist. Als pubertierender Junge ist er mit seinen Kumpels fast jeden Sonnabend hierhergefahren. Erst gingen sie in den Zoopalast, dann zu McDonald’s, einen Hamburger essen. „Dit war ein richtiges Event“, erinnert er sich. „Ich habe schon immer einen Tag vorher meine Klamotten rausgelegt.“ Als er seine neue Jeans mit Sprüchen und Herzen verzierte, gab es Streit mit seiner Mutter. Am nächsten Morgen, 7 Uhr 40, packte er seine Tasche, statt in die Schule zu gehen, haute er einfach ab. Er wollte in den Zoo, die Affen beobachten, aber der hatte noch zu. Da ist er ins Europacenter gegangen und setzte sich vor die 13 Meter hohe „Uhr der fließenden Zeit“. Stundenlang schaute er zu, wie sich die Glaskugeln mit Flüssigkeit füllten und so die Stunden und Minuten anzeigten.

Jetzt, 20 Jahre später, schüttelt er mit dem Kopf, als könne er noch immer nicht begreifen, was ihn dort so lange gehalten hat. Im Prinzip aber hat er damals nichts anderes gemacht, als geduldig auf den richtigen Moment zu warten. Diese Geduld wurde zu einer Art Lebensstrategie, ohne die aus Alexander Bojcan wohl nie ein Kurt Krömer geworden wäre.

Er ist Berlins beliebtester Komiker, bekannt in allen Stadtteilen und bei allen Nationen. Geht er durch Neukölln spazieren, begrüßen ihn die türkischen Mitbewohner mit „Hallo Kurti“. Kurt heißt im Türkischen „Wolf“. Neulich sei ein schwarzer Taxifahrer fast ausgeflippt, als Kurt Krömer ihn an der Straßenseite heranwinkte. „Ey Kurt“, rief er ihm zu, „ich sehe alle deine Sendungen!“ Während unseres Gesprächs kommt eine Frau mit ausladendem Dekolleté und in Tigermusterleggins vorbei und verteilt Flyer für den Bikini-Contest 2011. „Ich bin Joyce“, stellt sie sich mit erotischer Stimme vor. Joyce begrüßt uns mit Handschlag und als sie Kurt Krömer in die Augen blickt, säuselt sie vorsichtig: „Du bist doch Kurt, oder? Ich finde dich gut.“ Kurt Krömer ist für die Stadt so etwas wie ein lebendes Maskottchen, das alle Menschen verbindet. Er teilt ihre Sorgen und ihren Alltag, er trifft ihren Ton. Wie einige von ihnen musste auch er sechs Monate auf den W-Lan-Anschluss warten. Als der Techniker sich schließlich ankündigte, erst per Mail, dann mit einem Anruf und zuletzt mit einer Postkarte, hat er acht Stunden in seiner Küche gesessen, aber es kam niemand. Danach hat Krömer beim Telefonanbieter angerufen und sich beschwert. Er bekam erneut eine Mail, einen Anruf und eine Postkarte, wieder wartete er umsonst. Am Telefon wollte er wütend werden, aber die Dame hat nur gesagt: „Der Techniker muss doch gar nicht in ihre Wohnung. Der Kasten für die Anschlüsse befindet sich ganz woanders.“ Kurt Krömer erzählt den Leuten von den Missgeschicken aus seiner Welt, und sie stellen fest, dass diese von ihrer gar nicht so weit entfernt ist. Genau das finden sie lustig.

Bevor er anfing, auf die Bühne zu gehen, war Kurt Krömer ein junger, unscheinbarer Mann mit einem 10.-Klasse-Abschluss und einer abgebrochenen Lehre als Herrenausstatter. Ein halbes Jahr lang hatte er im Berliner Zoo einen Orientierungskurs besucht, um herauszufinden, ob er als Tierpfleger eine berufliche Karriere einschlagen möchte. Er war dort für die Züchtung von Meerschweinchen verantwortlich, die dann an andere Tiere verfüttert wurden. „Das war mir dann doch zu hart“, sagt er. Stattdessen hat er gejobbt, als Hausmeister, Bauhilfsarbeiter, Kellner und Tellerwäscher. In seiner Freizeit schaute er sich Filme von Louis de Funès an. „Der hat mich angepiekst“, erklärt er, „ich bin in einem Haushalt aufgewachsen, in dem Kunst und Theater immer als etwas für Bekloppte galt. Mein Weg ist mir insofern nicht in die Wiege gelegt worden. Vielleicht habe ich deswegen auch etwas länger gebraucht, um zu erkennen, wo ich hingehöre.“ Mit 17 kaufte er sich das Buch „Alles Theater“ und meldete sich in einer Laienspielgruppe an. Dort sagte die Leiterin nach kurzer Zeit zu ihm: „Ich sehe dich mehr im komischen Fach.“

Kurt Krömer mag keine Witze, und er ist auch nicht immer ein lustiger Mensch. Er wirkt ernst und nachdenklich, über Privatdinge redet er nicht gern. Er ist Vater von drei Kindern, zusammen mit dem Autor Jakob Hein hat er das Kinderbuch „Gute Nacht, Carola“ geschrieben. Ab Juni ist er in einer Liebeskomödie mit Fritzi Haberlandt zu sehen. „Eine Insel namens Udo“ erzählt von einem Mann, den keiner wahrnimmt, bis eine Frau kommt, die sich in ihn verliebt. In dem Film ist Kurt Krömer kaum wiederzuerkennen, er trägt eine andere Frisur und spielt eine traurige Rolle. Während der Dreharbeiten hat er in einer Szene sogar wirklich geweint, es sei sehr emotional gewesen, sagt er. Im Abspann steht sein Künstlername – Kurt Krömer, der mittlerweile fast keiner mehr ist. „Das ist totaler Quatsch, wenn ich jetzt plötzlich sage, ich heiße Alexander Bojcan. Den kennt ja niemand“, meint er. Wenn er sich beim Zahnarzt einen Termin holt, meldet er sich auch so, dann kann er in einer halben Stunde kommen. Würde er Alexander Bojcan sagen, bekäme er erst in zwei Monaten einen Termin. Kurt Krömer hat sich Kurt Krömer einverleibt, der Witz seiner Figur liegt in ihm selbst. Wenn er sich eine breite Krawatte über ein Hemd mit großem Kragen bindet, einen kitschigen Anzug anzieht und die große schwarze Brille aufsetzt, ist das der Schutz, das ein Clownskostüm einem bietet, sich selbst über ernste Dinge lustig zu machen. Alles, was er erzählt, hat immer auch mit ihm zu tun.

Anfang der neunziger Jahre ist er in verschiedenen Kleintheatern aufgetreten. Manchmal waren 20 Leute da, von denen in der Pause zehn gegangen sind und ihr Geld wiederhaben wollten. Seine Realkomik ging den Leuten auf die Nerven. Mitunter waren nur zwei Gäste da. Die Gage bewegte sich um die zehn Euro. Fast fünf Jahre ist das so gelaufen. Er hat die Leute gehen sehen, aber statt Schwäche zu zeigen, hat er einfach weitergemacht. „Sobald du Angst signalisiert, fühlt sich das Publikum stärker und dann wird die Stimmung richtig schlecht“, weiß er. Er hat an sich und seinen Nummern gefeilt, irgendwann spielte er vor 200 Punks in der „Supamolly“ in Friedrichshain, dann im Chamäleon-Varieté und im BKA-Theater. Er sagt: „Man muss durch das Tal der Tränen gegangen sein. Heute kann mir meinetwegen ein Scheinwerfer auf den Kopf fallen – ich würde schon was draus machen.“

Am Donnerstag läuft im Ersten seine letzte „Internationale Show“. Für die Sendung hat er gerade den Grimme-Preis gewonnen. Eigentlich könnte er unbekümmert weitermachen. „Ich wollte nicht mit dem immer gleichen Format im Abendprogramm verschimmeln“, sagt er. „Ich bin jetzt 36. Das ist nicht die Zeit, um über den Ruhestand nachzudenken.“ Kurt Krömer geht erst mal auf Tour. Mit seinem neuen Bühnenprogramm „Der nackte Wahnsinn“ bereist er nun die vielen kleinen Bühnen Deutschlands. So wie früher. Was er auf diese Reise mitnimmt, sind eine Tüte voll Spaß, einen Stuhl und den Satz: „Um achte wird det Licht anjemacht, und um zehne wieda aus.“

„Krömer – Die internationale Show“, Donnerstag, 23 Uhr 30, ARD

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false