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''Prager Botschaft'': Das Dreiecks-Event

Auf der Flucht gerät Bettina ins Liebeschaos. Der RTL-Film "Prager Botschaft“ erzählt die Geschichte einer Frau zwischen zwei Männern.

Der Applaus kam, bevor er seinen Satz beendet hatte. „Liebe Landsleute, ich bin heute zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise ...“ Rund um diesen Moment am 30. September, als Hans- Dietrich in Prag zu den ostdeutschen Flüchtlingen sprach, zentriert sich der RTL-Film „Prager Botschaft“; es ist sein stärkstes Motiv, das einzige, das nachhallt.

Dass RTL die deutsche Geschichte für sich entdeckt hat, ist zunächst lobenswert, bis man erfährt, dass sie das Programmsegment „Event-Movie“ damit bedienen. Das ist RTL-Sprech für: Platziere eine Frau zwischen zwei Männern, setze die drei vor ein historisches Setting und umgebe sie mit einem Komparsenhaufen. So auch geschehen in „Prager Botschaft“ unter der Regie von Lutz Konermann. Bettina (gelungen schnoddrig-handfest: Anneke Kim Sarnau) und Stefan (Christoph Bach) aus Ostberlin sind auf Hochzeitsreise in Prag, mit in der Tschechoslowakei sind drei Freunde, Thomas (Hinnerk Schönemann), seine Freundin Karin (Valerie Koch) und Ziesche mit seiner Honeckerbrille (Heinrich Schmieder). Als Bettina morgens aufwacht, sitzt Stefan angezogen auf dem Bett und sagt, er wolle in den Westen fliehen. Als Thomas und Karin sich anschließen, stimmt Bettina zu. Die drei suchen Zuflucht in der Botschaft, Stefan fährt nach Berlin und will mit Sohn Felix nachkommen. Doch er taucht nicht auf, dafür trifft Bettina in der Botschaft ihren Ex-Liebhaber Georg wieder, inzwischen Attaché der Bundesrepublik.

Dabei legt die Geschichte Tempo vor. In der 16. Minute fällt die Fluchtentscheidung, in der 28. tritt der zweite Mann auf, und in Minute 37 ist klar, dass es einen Verräter gibt. Doch leider spart der ökonomisch erzählte Film das Material an den falschen Stellen ein: „Prager Botschaft“ fehlt es an Politik, konsequent werden die Momente verspielt, in denen sich das Persönliche am historischen Rahmen wundstößt. „Junge, das ist doch auch dein Land“, sagt der Vater zu Stefan, und der erwidert, er wolle nicht den Mangel verwalten. Weiter führt der Wortwechsel nicht, ernsten Erwägungen über Gehen und Bleiben enthält sich der Film – keine Figur, die an den Dritten Weg von Rudolph Bahro glaubt, die sich etwas wünscht, was sie im KaDeWe nicht findet, keine, die gründlich darlegt, warum der Westen für sie mehr als eine Himmelsrichtung ist. Selbst ein Gespräch, das politisch abhebt, versandet im Privaten: Mit den Flüchtlingen wolle er den Druck auf die DDR erhöhen, sagt Botschafter Huber zu Georg, anstelle von weiteren Blicken hinter die politische Kulisse schweift die Kamera nach draußen und Georg entdeckt Bettina. Nur schade, dass man angesichts der Größe der historischen Ereignisses von amourösen Verwerfungen gar nichts wissen mag.

Auch in der üppigen Komparserie, der zweiten Zutat eines Event-Movies, verweilt die Kamera, zeigt Menschen, die vor Gulaschkanonen und Toiletten warten. Er wolle sich im Westen ein Haus bauen, sagt einer, mehr nicht. Dabei gibt die deutsche Vergangenheit, so unerzählt sie noch immer ist, viel mehr her, etwa Geschichten davon, was die operative Psychologie der Stasi bei Menschen anrichtete, Geschichten von den Jugendwerkhöfen, aber auch vom Ankommen im neuen Land. Die Vorlagen waren bisher jedoch stets besser als ihre Umsetzungen. Vielleicht ist das Leben einfach kein Event. Verena Friederike Hasel

„Prager Botschaft“, RTL, 20 Uhr 15

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