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© EPA

Presse in England: God save the Press

Wie Großbritanniens Zeitungen mit allen Mitteln um ihre Zukunft kämpfen.

Murdoch gegen Google: Internetnutzer und Zeitungsleser verfolgen den Kampf, der für die Zukunft der Zeitungen entscheidend werden könnte. Rupert Murdoch, Großbritanniens wichtigster Zeitungsverleger, will um die teuer produzierten Inhalte seiner Zeitungen wie der „Times“ die undurchdringliche Mauer eines „Paywalls“ errichten, damit Google und andere Suchmaschinen „nicht weiter unsere Geschichten klauen“. Noch keinem ist es gelungen, Zeitungsjournalismus online in harte Münze zu verwandeln. Auch Murdoch gab zu, dass er die selbst gesetzte Frist bis zum Juni 2010 nicht schaffen wird. „Wir arbeiten hart daran, nicht nur auf unseren Internetseiten, auch mit eurer Zeitung“, sagte er einem verblüfften Journalisten des „Daily Telegraph“, der von der Beteiligung seiner Zeitung gar nichts wusste.

Tun sich britische Zeitungen hinter den Kulissen zusammen und arbeiten gemeinsam an einer „Paywall Company“? Sinnvoll wäre das. Die kostenlosen Internetseiten von „Guardian“, „Daily Telegraph“ oder „Daily Mail“ werden immer populärer und haben jeweils über 30 Millionen Nutzer, doch die Printauflagen sinken. Der Doppelangriff von Internet und Wirtschaftskrise nimmt Leser und Anzeigenkunden weg.

Bei den Lokalzeitungen hat das Sterben längst begonnen. Über 100 werden in diesem Jahr schließen. Branchenpessimistin Claire Enders vom gleichnamigen Branchendienst glaubt, dass bis 2013 rund 1300 aufgeben werden. Die Anzeigenerlöse der gesamten Zeitungsbranche würden sich bis dann gegenüber 2007 halbieren. „In nicht zu ferner Zukunft werden wir nur noch eine sehr kleine Zahl nationaler Zeitungen haben“, lautet ihre Prognose.

Als erster könnte der „Independent“ sterben. Seine nächste Krise kommt, wenn am 23. Dezember ein Schuldenmoratorium über 200 Millionen Euro ausläuft. Die Zeitung arbeitet mit einer aufs Minimum reduzierten Kostenbasis und macht trotzdem täglich 80 000 Euro Verlust. Im September lag die Auflage mit 187 490 Exemplaren über 15 Prozent unterm Vorjahr. Aber die Hauptaktionäre Gavin und Tony O’Reilly haben eben den Gegenspieler Denis O’Brien ausmanövriert, der die Zeitung schließen wollte. Sie wollen durchhalten.

Auch der „Observer“ ist fürs Erste gerettet, der zu Guardian Newspapers gehört, die täglich mehr als 100 000 Euro verlieren. Der Scott Trust, die Stiftung, die den „Guardian“ trägt, will die Sonntags-Schwester nicht schließen, sondern mit einem Sparprogramm, Beilagenschließungen und engerer Anbindung an den „Guardian“ über Wasser zu halten. Das entspricht dem Rat des Medienprofessors George Brock von der Londoner City Universität: „Haltet durch und hofft, dass sich etwas ergibt“. Brock glaubt wie Murdoch, dass ein nachhaltiges Online-Geschäftsmodell lebensentscheidend für die Zeitungen ist.

Mit Zähigkeit und Glück hält sich der Londoner „Evening Standard“ über Wasser und gewann nun sogar den Londoner Zeitungskrieg. Drei Jahrzehnte hatte das Blatt das Monopol am Abendmarkt. Vor fünf Jahren betrug die Auflage 450 000 Exemplare. Dann eröffnete Murdoch mit dem Freesheet „thelondonpaper“ den Angriff. Die Daily Mail Group als „Standard“-Besitzer ließ als Gegenoffensive „London Lite“ kostenlos verteilen. Drei Jahre wurden täglich an die 15 Tonnen Zeitungsaltpapier entsorgt, keines dieser anzeigenfinanzierten Blätter war je profitabel. Nur die Auflage des „Standards“ sank in den Keller.

Dann übernahm der russische Ex-Oligarch Alexander Lebedev den Sanierungsfall für ein Pfund. Statt 160 000 Exemplare für 50 Pence (rund 55 Cent) zu verkaufen, lässt Lebedev jetzt 600 000 Exemplare kostenlos verteilen – bei bisher gleichem redaktionellem Umfang. Murdochs „thelondonpaper“ wurde im Frühsommer eingestellt. „London Lite“ wird am Freitag zum letzten Mal verteilt. Der „Standard“ ist wieder Alleinherrscher.

Ob Lebedevs Freesheet-Modell sich rechnet, das Niveau drückt, ob der Oligarch die Zeitung als Eitelkeitsverleger mit seinem Imperium aus Banken und Fluglinien finanziert – der „Evening Standard“ zieht die Konsequenz aus einer neuen Grundwahrheit im Zeitungsgeschäft, wie Geschäftsführer Andrew Mullins es sieht: „Londoner haben sich daran gewöhnt, dass Zeitungen nichts kosten“.

Britische Zeitungen sind den neuen Marktrealitäten schutzloser ausgeliefert als deutsche, weil sie nicht die relativ stabilen Leserstämme von Aboblättern haben. In härtestem Wettbewerb muss jede Zeitung jeden Tag von neuem Käufer finden. Deshalb der harte Schlagzeilenjournalismus, deshalb die Werbekampagnen, Zeitungslotterien, die Wasserflaschen und Spielfilme auf DVD oder Märchenbücher, die den Zeitungen beigelegt werden.

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