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Kai Blasberg

© Gert Krautbauer

Privatfernsehen: "Zielgruppen sind mir egal"

Interview mit Kai Blasberg, seit 2008 Geschäftsführer des Privatsenders Tele 5. 2014 wurde der heute 51-Jährige für seine „mutige Programmgestaltung“ für einen Grimme-Spezial-Preis nominiert.

Herr Blasberg, „Dit is Fußball“ ist eine vierteilige TV-Komödie über einen Fußballclub, der kurz vor der Pleite steht, eine Gurkentruppe hat und dann ausgerechnet von einer Gruppe Mädchen gerettet wird. Das klingt jetzt nicht nach einer außergewöhnlich originellen Geschichte. Wie kam es denn zu der Idee?

Die Idee haben Studenten der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf in Potsdam entwickelt. Und die haben uns gefragt, ob wir der ausstrahlende Sender sein wollen. Und da ich geilen Scheiß immer gut finde, habe ich Ja gesagt. Geiler Scheiß ist ja unser Credo: Alles, was außerhalb des Mainstreams ist, wird angeguckt. Da kommt dann 90 % genauso unter den Trecker wie alle anderen Sachen auch, aber was dann übrig bleibt ... jedenfalls hatten wir Lust drauf, dabei zu sein.

Was ist das Besondere an der Geschichte?

Erstmal die Besetzung. Wir haben ein Who is Who der Ehemaligen am Start. Ob Martin Semmelrogge, zu dem ich nichts zu sagen brauche, oder Gunter Gabriel. Unsere Leute sind auch dabei: Oliver Kalkofe, Friedrich Liechtenstein, Peter Rütten, Aurel Mertz, Kirstin Warnke. Das ist ein Projekt von jungen Leuten: Wenn die bei uns landen, waren sie schon bei allen anderen, so nüchtern muss man das sehen. Gleichzeitig ist es aber auch ein Kompliment, dass die Leute auf uns zukommen, weil sie mitgekriegt haben: Da könnte was gehen.

Das klingt ein bisschen, als hätten Sie das in erster Linie genommen, weil Sie so ein guter Mensch sind.

Es gibt zwei wichtige Begriffe in meinem Leben, die heißen Entwicklung und Verantwortung. Das ist jetzt ein bisschen philosophisch, aber das ist gerade im Privatfernsehen in den letzten Jahrzehnten unter die Räder gekommen. Aber ich bin ja ein Mann der frühen Stunde und habe erlebt, wie in den 1990ern genauso gearbeitet wurde, wie hier bei Tele 5 immer noch gearbeitet wird, nämlich nach dem Prinzip: geiler Scheiß. Und wenn das damals nicht auch das Credo gewesen wäre, wären Leute wie Hella von Sinnen oder Hugo Egon Balder nie on Air gegangen. Mit dem Einzug der Controller ist dieser Geist leider verloren gegangen, und wir wollen den aufrecht erhalten. Das hat mit Gutmenschentum wenig zu tun, auch hier wird viel gewogen und für nicht schwer genug befunden. Genau diese Vorgehensweise hat uns mit "Walulis sieht fern" einen Grimme Preis gebracht. Die kamen damals hier an und sagten: Keiner will uns, und da habe ich gesagt: Komm, wir machen's. Ich hatte vorher nichts gesehen. Aber ich habe deren Willen gesehen, das ist schon eine große Bank. Draußen laufen nicht nur Dilettanten rum, die sitzen zumeist in den Sendern.

"Dit is Fußball" ist thematisch ja ein ziemlich gefährliches Pflaster. Fußball ist ja Nationalheiligtum und -eigentum, da verstehen die meisten Männer keinen Spaß, und mit Frauen hat das schon gar nichts zu tun.

Bei der Titanic ging es ja auch nicht um die Schifffahrt, sondern um die Geschichten, die dort erzählt werden. Bei uns ist dieser Hintergrund ein Fußballclub. Ich selbst habe 20 Jahre in untersten Ligen gespielt und weiß, dass Frauen eine riesige Rolle spielen: die schmieren die Brötchen, die fragen die Männer, wann sie nach Hause kommen und sie heilen die Wunden.Und wenn man in den Spitzenfußball mal reinschaut, der hat seinen Reiz in den Stadien ja auch verloren, weil Mutti mit Sohn und Vati dahin gehen und Vati nicht mehr Arschloch sagen darf. Dass Frauen keine Rolle im Fußball spielen, wäre mir neu, die spielen eine riesige Rolle.

Interessantes Frauenbild. Wer ist denn Ihre Zielgruppe?

Das ist mir egal.

Sie gucken nicht auf die Quote?

Dieses ganze Gefasel von Zielgruppen ist totaler Unsinn. Wer misst denn diese Zielgruppen? Was uns jeden Tag an Zahlen offeriert wird, kommt von der GfK, die haben ja selber keine Zielgruppen. Ein Massenmedium hat keine Zielgruppen.

Aber Ihre Werbekunden schon.

Bei uns ist alles ausgebucht. Wenn die Zielgruppen haben, dann sollen die planen, wo sie glauben, dass unsere Inhalte dafür geeignet sind. Aber ich plane nicht nach Zielgruppen.

Sie machen also nur, was Ihnen und Ihrem Team gefällt?

Schauen Sie unseren Sender mal an! Wir zeigen Wrestling und wir zeigen Opern und wir zeigen „Die schlechtesten Filme aller Zeiten“, wir zeigen ArtHouse-Kino und Dexter und Tierfilme - wir haben doch die bunteste Palette im deutschen Fernsehen. Und das können Sie nicht machen, wenn Sie nach Zielgruppen planen. Ich weiß nicht, wer das guckt. Wenn da heute Abend 300 000 Leute zuschauen, woher soll ich wissen, wer das ist? Wenn ich was verstanden habe von meinem Business, dann ist der Grund, warum Werbetreibende uns buchen, weil die Supermärkte ihre Produkte beinhalten. Und solange es Leute in den Supermarkt schaffen und zurück nach Hause vor die Glotze, sind das meine Zielgruppen. Wenn Philadelphia meint, da buchen zu müssen, sollen sie es tun. Herzlich Willkommen.

Wie geht es denn allgemein mit Eigenproduktionen bei Tele 5 weiter?

Wir haben ja dieses Jahr dem Wunsch des Marktes folgend mal Wiederholungen gemacht, also Staffeln weitergeführt, von Frau Warnke bis Höchste Konzentration, SchleFaZ sowieso, das werden wir, solange das inhaltlich so gut ist und von der Akzeptanz des Publikums so erfolgreich ist, auch weitermachen, und dann werden wir uns immer anschauen, was an uns so vorbei schwimmt. Da ist es jetzt noch etwas früh, was fürs nächste Jahr zu sagen. Dieses Jahr sind wir mit Eigenproduktionen dicht bis obenhin. Ich denke, dass wir bis Anfang 2017 nichts Neues verkünden können.

„Dit is Fußball“, Tele 5, Samstag, um 19 Uhr 45

Die Fragen stellte Sabine Sasse.

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