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Nora Illi, die Frauenbeauftragte des „Islamischen Zentralrats Schweiz“, trat bei „Anne Will“ vollverschleiert im Nikab auf

© dpa

Pro und Contra zu "Anne Will": Vollverschleiert in der Talkshow: Abschreckung oder Anmaßung?

Ärger programmiert: Der Auftritt der Nikab-Trägerin Nora Illi in der öffentlich-rechtlichen Talkshow "Anne Will" hat heftige Diskussionen ausgelöst. Ein Pro und Contra.

Vorweg, ich teile ja diese Argumente: Zu einer Diskussion auf Augenhöhe gehört es, dem Gegenüber ins Gesicht blicken, seine Reaktion und Mimik sehen zu können. Vollverschleierung sprengt jeden kommunikativen, auf Dialog ausgerichteten Akt. Aber wie war noch mal das Thema dieser Talkshow, eines der populärsten TV-Formate? „Mein Leben für Allah – Warum radikalisieren sich immer mehr junge Menschen?“ Fünf Millionen Menschen sahen zu. Da halte ich es absolut für angemessen, Nora Illi, die vollverschleierte Frauenbeauftragte des „Islamischen Zentralrats Schweiz“, bei „Anne Will“ einzuladen und sich dabei selbst und den Zentralrat bloßstellen und entlarven zu lassen.

„Anne Will“ ist ja nicht die erste Sendung, in der eine vollverschleierte Frau zu Gast war. Nora Illi saß auch schon bei „Maischberger“ in der Runde. Und vor ein paar Wochen war eine Burka-Trägerin bei Frank Plasbergs „hart aber fair“ zu einem Einzelinterview eingeladen. Sie berichtete aus ihrem persönlichen Leben als vollverschleierter Frau. Da hat sich niemand aufgeregt.

Klar, Nora Illis Thesen sind krude. Zuschauer kritisierten, dass „Anne Will“ Illi und dem radikalen Islam mit dem Auftritt eine Bühne zur besten Sendezeit geboten habe. Ja, und auf der Bühne hat sie schlecht ausgesehen. Ahmad Mansour und Wolfgang Bosbach haben klasse reagiert. Es ist im Grunde egal, ob die Frau dort halb nackt oder vollverschleiert sitzt. Argumente müssen auf den Tisch. Bei allem Unbehagen, jemandem in einer Talkshow nicht ins Gesicht sehen zu können: Ich bin weiterhin dafür, islamische Vertreter wie die Dame im Nikab einzuladen. Auf dass ihnen Demokraten wie Mansour oder Bosbach widersprechen. Bessere Abschreckung gibt es nicht.

Eine Nikab-Trägerin im öffentlichen Raum ist einer Verwunderung, doch keiner Aufregung wert. Eine Nikab-Trägerin in einer öffentlich-rechtlichen Talkshow ist jeder Verwunderung und jeder Aufregung wert.

In einem solchen Format und zu diesem Thema finde ich es richtig, auch mal eine vollverschleierte Frau einzuladen. […] Problematisch würde es dann, wenn Frauen im Niqab ganz selbstverständlich zu völlig anderen Themen medial präsent wären, ohne dass ihre Verhüllung kritisch thematisiert wird.

schreibt NutzerIn mogberlin

Eine Gesprächsrunde beruht auf einer Verabredung. Jeder weiß vom anderen, was er wissen muss, jeder sieht vom anderen, was er sehen muss. Jeder steht mit seiner Persönlichkeit, seiner Person, seinem Gesicht für sich ein. Das ist die Basis, auf der eine Diskussion stattfinden kann, wenn sie auf allseitiger Fairness und individueller Chancengleichheit beruhen soll. Nora Illi nahm bei „Anne Will“ vollverschleiert teil, mit Billigung des Senders, der Redaktion, der Moderatorin. Sie nahm sich den Vorteil, der den übrigen Gästen zum Nachteil gereichen musste: Keiner aus der Runde, auch nicht die Moderatorin Will, konnte erkennen, wie die Worte und die Widerworte auf sie wirkten. Ein wesentliches, ein notwendiges Element des Gesprächsfernsehens fiel weg: Mimik, Körpersprache, Aktion und Reaktion.

Lachte Nora Illi über die eigenen Sätze, lachte sie über die Argumente von Ahmad Mansour und Wolfgang Bosbach? Saß da ein Mensch oder eine Tarnkappe? Wir wissen es nicht. Es ist keine kleine zivilisatorische Errungenschaft, dass sich Menschen in der Öffentlichkeit, im Fernsehen nicht verhüllen, nicht verstecken müssen. Es ist Ausdruck von Freiheit.

„Anne Will“ gestand Nora Illi zu, diese Freiheit zu missachten. Und die Sendung übte sich in der Grenzverschiebung: Der Gast diktiert der Talkshow und dem Publikum die Bedingungen seiner Teilnahme. Das ist eine Anmaßung, die künftig jedem Radikalen zugestanden werden muss, wenn die Einladung an Nora Illi kein bloßer Quotengag gewesen sein soll.

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