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Protest gegen "Bild"-Aktion: Nicht mal geschenkt

Mehr als 100.000 Menschen protestieren im Internet gegen die geplante Gratisausgabe der „Bild“. Für den Springer-Verlag könnte das zu logistischen Problemen führen.

Von Katrin Schulze

Die Idee ist genauso originell wie verzwickt. Eine „Bild“-Zeitung für jeden deutschen Haushalt, unaufgefordert und frei Haus. So hat es die Axel Springer AG für den 23. Juni anlässlich des 60. Geburtstags des Blattes geplant. Nur was passiert mit jenen, die das nicht wollen? Mit jenen, die sich gar dagegen wehren? Klar ist, davon gibt es viele, und es werden rasant mehr. Bis zum Dienstagnachmittag haben sich über die Internetpräsenz der Protestorganisation campact mehr als 117.000 Menschen dazu entschieden, ihr Gratisexemplar abzubestellen. Wem es beliebt, der braucht unter www.campact.de/bild/ml1/mailer nur seine Adresse anzugeben und seinen Namen unter ein bereits fertig verfasstes und juristisch geprüftes Formular zu setzen.

Losgetreten haben die Aktion 15 Berliner Studenten, die sich vor gut zwei Monaten zusammenfanden und sich nun vor Anfragen kaum retten können. Ihre Homepage alle-gegen-bild.de brach nach dem Kampagnenstart am vergangenen Donnerstag gleich für mehrere Tage zusammen – auf den Ansturm von gut vier Millionen Seitenaufrufen waren die Studenten und ihre Homepage einfach nicht vorbereitet.

Aber durch die Zusammenarbeit mit campact hat sich ihr Begehren potenziert. Mehr Zuspruch als im Moment hatte das Kampagnennetzwerk nur noch für seine Anti-Atom-Aktion nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima erfahren. Nach Meinung von campact verstößt keine andere Zeitung so oft gegen den Pressekodex wie die „Bild“. „Wenn die Menschen die Zustellung der Gratisausgabe verweigern, zeigen sie, was sie von den Methoden des Blattes halten“, sagt Yves Venedey vom Netzwerk. Die auflagenstärkste Zeitung Deutschlands verdrehe Tatsachen und trete Persönlichkeitsrechte mit Füßen.

Dass sie den Springer-Verlag ärgern könnten, damit hatten die Protestler gerechnet; mehr erwarteten sie nicht. „Wir konnten uns eigentlich nicht vorstellen, dass es möglich ist, die Kampagne zum Stürzen zu bringen“, sagt Mitinitiator Sebastian Schulze. „Der Wunsch war aber schon da, den logistischen Aufwand zu erhöhen.“ Die Rechnung ist einfach: Je mehr Leute die „Bild“ nicht einmal geschenkt wollen, desto schwieriger wird es für den Verlag, die Sonderausgabe zu verteilen, müsste er doch genau darauf achten, dass die Protestler kein Exemplar bekommen.

Ein gewöhnlicher Werbeverbotsaufkleber verhindert nicht, dass die kostenlose Zeitung am 23. Juni im Briefkasten landet. Wer nicht auf dem Postweg oder via Internet Widerspruch gegen die Zusendung einlegt, muss auf seinem Briefkasten explizit mitteilen, dass er auf die „Bild“ verzichtet. Sollte einer der vielen Verweigerer das ungewünschte Produkt dann doch erhalten, muss der Verlag dafür geradestehen und kann unter Umständen rechtlich belangt werden.

Die Widersprüche werde Springer in jedem Fall beachten, sagte Sprecher Tobias Fröhlich auf Nachfrage. Allerdings sei noch keine endgültige Entscheidung über die Sonderausgabe gefallen. Im Moment führt das Blatt noch Gespräche mit möglichen Anzeigenkunden, die schätzungsweise vier Millionen Euro für eine Seite in der Ausgabe springen lassen sollen. Auch mit der Deutschen Post redet der Verlag schon über die Auslieferung, wie der Dienstleister bestätigte.

Es ist schwer vorstellbar, dass sich Springer den großen Werbecoup von der jüngsten Gegenwelle vermasseln lässt; dazu sei der Verlag wohl zu groß, sagt Gegner Schulze. Das Ziel, eine Diskussion über die seiner Ansicht nach fragwürdigen Mittel der „Bild“ anzustoßen, dürften Schulzes Leute angesichts der großen Resonanz aber jetzt schon erreicht haben.

Und sie machen weiter – über Facebook, Blogs, Twitter, aber auch offline. „Wir planen in den kommenden Wochen noch mehr Aktionen“, sagt Sebastian Schulze. „Auch im Berliner Stadtbild werden wir sichtbar sein.“ Wie genau das aussehen soll, erzählt der Mann von „Alle gegen Bild“ nicht. Er will den Gegner mit dessen eigenen Mitteln schlagen. Er will ihn überraschen.

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