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Die Punkband Pussy Riot.

© dpa

Putins Reich: Doschd, einem der letzten unabhängigen TV-Kanäle Russlands, droht das Aus

Angefangen hatte Doschd als Infotainmentkanal, der Präsidenten Dmitri Medwedew zu einer zweiten Amtszeit verhelfen sollte. Nun haben auch Regimegegner das Wort.

Doschd heißt Regen und ist auch der Name eines unangepassten russischen Bezahl-TV-Senders, über dem sich dunkelschwarze Gewitterwolken zusammenbrauen. Mehrere Kabelnetzbetreiber – darunter die Marktführer in Großstädten wie Moskau und St. Petersburg – haben Doschd bereits abgeschaltet, andere wollen folgen. Doschd hatte am Montag, als sich das Ende der 900 Tage währenden Blockade Leningrads durch die Wehrmacht zum 70. Mal jährte, bei einer interaktiven Umfrage von den Zuschauern wissen wollen, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn die Stadt sich damals ergeben hätte. Hunderttausende Menschenleben – fast die Hälfte der Bevölkerung war verhungert und erfroren – wären gerettet worden. Landesweit erhob sich ein Sturm der Entrüstung. Nach wenigen Stunden entschuldigten sich die Macher. Doch das Stadtparlament von St. Petersburg hat inzwischen eine Resolution verabschiedet, mit der die Staatsanwaltschaft ersucht wird, dem Sender die Lizenz zu entziehen.

Hitler, so Alexej Makarow von der Regierungspartei „Einiges Russland“, die den Entwurf einbrachte, habe Leningrad, wie St. Petersburg damals hieß, vom Erdboden tilgen wollen. Eine Übergabe habe daher nie zur Disposition gestanden. Die Umfrage sei ein Versuch, die Ergebnisse und Lehren des Großen Vaterländischen Krieges zu revidieren. In Russland ist das ein Straftatbestand. Auch Senatspräsidentin Walentina Matwijenko, die wie Putin aus St. Petersburg stammt, sprach von „Profanation“. Es sei unfassbar, dass ausgerechnet ein russischer Sender versucht, jene zu rehabilitieren, die der Sowjetunion Krieg und hohe Blutopfer aufzwangen. Von Abschaltung wollte sie indes nichts wissen.

Die Staatsanwaltschaft selbst sieht das offenbar, anders ermittelt inzwischen sogar wegen Extremismusverdacht. Der Gummiparagraf hat sich schon mehrfach als Allzweckwaffe gegen Regimekritiker aller Art bewährt. Und mit der politisch in der Tat nicht ganz korrekten Umfrage, so glaubt Programmchefin Natalja Sindjejewa, habe Doschd der Macht nur einen lang ersehnten Vorwand geliefert, einen der letzten unabhängigen Sender plattzumachen.

Bühne für Pussy Riot

Angefangen hatte Doschd 2010 als seichter Infotainmentkanal, der Russlands damaligem Präsidenten Dmitri Medwedew zu einer zweiten Amtszeit verhelfen sollte. Spätestens seit den umstrittenen Parlamentswahlen Ende 2011 geht Doschd auf eigene Faust Wasser holen, berichtet live von Protestkundgebungen und bietet Regimegegnern bei Podiumsdiskussionen eine Bühne. Darunter dem kritischen Blogger Alexei Nawalny, der feministischen Punkgruppe Pussy Riot oder auch Ex-Jukos-Chef Michail Chodorkowski, der dem Sender gleich nach seiner Begnadigung im Dezember ein großes Interview gab. Mit „wesentlichen Programmänderungen“ begründete nun „Akado“, eines der größten Kabelnetze im Großraum Moskau, das Ende für Doschd.

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