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Medien: „Radikale Abmagerungskur“

Geplant war ein Live-Magazin, heraus kam „3 nach 9“. Wolfgang Menge zur Geburt der Talkshow

Herr Menge, wir haben immer gedacht, Sie hätten die Talkshow erfunden. Jetzt heißt es, Dietmar Schönherr war’s, damals, vor 30 Jahren. Was stimmt denn nun?

Erfunden hat Dietmar Schönherr die Talkshow ganz sicher nicht, weil es Talkshows bereits lange vorher gab, bevor sie in unser Fernsehprogramm eingeführt wurden. Damals hatte ich Günther Rohrbach vom WDR auf Dick Cavett und Jonny Carson aufmerksam gemacht und ihm vorgeschlagen, sowas auch hier anzubieten. Als Gastgeber hatte ich aber nicht Dietmar Schönherr vorgeschlagen, sondern Theo Sommer oder Personen mit ähnlichen Qualitäten.

Trotzdem haben Sie sich als einer der Gründer von „3 nach 9“ ums Format verdient gemacht. Warum wollten Sie Menschen erst an einen Tisch bringen und dann in ein Gespräch verwickeln?

„3 nach 9“ ist nicht mit dem Grundgedanken Talkshow entstanden. Angefangen hatte alles mit einem Interview. In diesem Interview sagte ich unter anderem, dass es mir auf den Keks ginge, wenn alles, was ich schreibe, frühestens zwei Jahre später auf den Schirm käme, dass ich überhaupt den Eindruck hätte, nur noch von Konserven zu leben und selbst die „Tagesschau“ so glatt gebügelt daher käme, als sei sie Tage vorher produziert worden. Daraufhin rief mich Dieter Ertel vom Süddeutschen Rundfunk an und erklärte, ähnliches zu denken, und ob wir nicht zusammen nach Auswegen suchen sollten. Aus diesem Gespräch ergab sich das Projekt eines LiveMagazins.

Ertel überredete mich, an so einer Sendung aktiv teilzunehmen, da er nicht mit ausreichend Geld gesegnet war, gelernte Moderatoren zu beschäftigen. Das Projekt wurde dann gleich, ohne irgendwelche Proben, gesendet und endete als Katastrophe. Die im Studio anwesenden Hierarchen, Intendant Bauch und Programmdirektor Jaedicke, entschieden, dass so was nie wieder gesendet werden dürfe – obwohl die Resonanz der Zuschauer gewaltig war …

… und damit war die Talkshow gegründet?

Ach was. Erst Jahre danach, Dieter Ertel war inzwischen Programmdirektor bei Radio Bremen geworden, meldete er sich wieder bei mir und bat mich, auf meinem nächsten Weg nach Sylt über Bremen zu fahren. Er wollte einen zweiten Versuch riskieren. Nach den Stuttgarter Erfahrungen haben wir das Projekt eines Live-Magazins einer Abmagerungskur unterzogen, die so radikal war, dass am Ende nichts weiter übrig blieb als „3 nach 9“.

Es gibt den Daily Talk bei „Vera am Mittag“, es gibt die politische Gesprächssendung à la „Sabine Christiansen“, es gibt die Talk-Klassiker wie „3 nach 9“. Machen Sie da Unterschiede oder sagen Sie, alles ein Fleisch?

Leider sehe ich heutige Talkshows so selten, dass ich mir kein Urteil leiste.

Was hat die Talkshow aus dem Fernsehzuschauer gemacht?

Woher soll ich das wissen. Ich weiß ja nicht mal, was das ganze Fernsehen aus ihnen gemacht hat.

Was plagt die Talkshows heute mehr: der Mangel an interessanten Gästen oder der Mangel an guten Moderatoren?

Ich hatte schon während meiner letzten Sendungen bei „3 nach 9“ vorgeschlagen, dass man die guten Gäste behalten, sozusagen als Stammgäste, und stattdessen die Moderatoren wechseln solle. Man hat nicht auf mich gehört.

Das Gespräch führte Joachim Huber.

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