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Standorthoffnung Streaming: In Berlin dreht Matthias Schweighöfer (links) für Amazon und dessen Deutschland-Chef Christoph Schneider die Serie „You are wanted“.

© dpa

Ranking der TV-Produktionsstandorte: Von Hamburg geschlagen

Berlin liegt nach einer Studie aus NRW auf dem letzten Platz der großen Fernseh-Produktionsstandorte. Doch es gibt noch eine andere Lesart.

Als Kinostandort ist Berlin top, bei TV-Produktionen läuft die Metropole unter ferner liefen. Während Berlin bei Kinofilmen im Ländervergleich mit einem Anteil von 30 Prozent deutlich vor Bayern (23 Prozent) und Nordrhein-Westfalen mit 20 Prozent liegt, sieht die TV-Welt für die Hauptstadt ganz anders aus: Hier kommt Berlin nach NRW (36 Prozent), Bayern (24 Prozent) und Hamburg (13 Prozent) nur auf einen undankbaren vierten Platz – bei sinkenden Werten. Dies ist das Ergebnis der Produktionsstudie 2013/2014, die das Formatt-Institut im Auftrag des Landes Nordrhein-Westfalen erstellt hat. Im Jahr 2013 ging der Berliner Anteil dabei von 16 auf 12 Prozent zurück, um dann in 2014 auf neun Prozent abzurutschen. Anders gesagt: Der Anteil der Berliner TV-Produktion hat sich innerhalb von zwei Jahren nahezu halbiert.

Köln ist Deutschlands unumstrittener TV-Hauptstandort, in keinem anderen Bundesland werde so viel gedreht wie in NRW, freute sich der dortige Medienminister Franz-Josef Lersch-Mense (SPD) bei der Vorstellung der Studie am Montag. Dieses Ergebnis kommt nicht von ungefähr zustande. Zum einen spielen die Fernsehstudios eine wichtige Rolle, zum anderen sind in NRW mit dem WDR und RTL zwei große Sender ansässig, erklärt Horst Röper, der Leiter des Dortmunder Formatt-Instituts die Ergebnisse. So neigen viele Redakteure dazu, Aufträge in der Nähe zu vergeben, weil dann der direkte Kontakt besteht. Berlin hat dem weniger entgegenzusetzen. Der RBB hat bei Weitem nicht die Größe des WDR und nach dem Weggang von Sat 1 gibt es auch keinen großen Privatsender mehr in der Stadt, der Aufträge in entsprechender Größenordnung vergeben könnte. Doch es gibt noch eine andere Lesart der Studie, wie Helge Jürgens, der für die Standortentwicklung zuständige Geschäftsführer des Medienboards Berlin-Brandenburg, dem Tagesspiegel in einem Interview (siehe Kasten) sagte.

In einem Punkt ist sich Jürgens mit Horst Röper einig: Die Studie betrachtet die Standorte rein nach den produzierten Fernsehminuten, das gilt sowohl für das Ranking der Studios als auch für die Bewertung der Drehorte. „Berlin hat eher hochwertige Produktionen. Wenn die Studie in Euro erhoben worden wäre, hätte sich eine andere Relation ergeben“, sagt der Leiter des Formatt-Instituts dem Tagesspiegel. Zum Vergleich: Für die Produktion einer Talksendung fallen rund 1500 Euro je Sendeminute an, für einen „Tatort“ oder einen anderen aufwendigen und gut besetzten Fernsehfilm sind es 15 000 Euro.

Ein Vergleich nach Umsatzzahlen ist nicht möglich

Auf eine Marktuntersuchung nach Wertigkeit muss allerdings verzichtet werden, weil die Studios sich in der Mehrzahl weigern, ihre Umsatzzahlen herauszugeben. Vor allem kleinere und mittlere Produktionsunternehmen fürchten sich vor allzu großer Transparenz und geben nicht einmal ihre Produktionsminuten bekannt. Im Formatt-Institut in Dortmund werden darum Studenten damit beauftragt, die Abspänne von TV-Sendungen nach verwertbaren Informationen anzusehen.

Ein Problem für die Hauptstadtregion ist zudem, dass Berlin und Brandenburg getrennt gezählt werden. Produktionen aus Babelsberg werden Brandenburg zugerechnet, obwohl doch gerade die Nähe zu Berlin einer der Standortvorteile von Babelsberg ist. Das gilt zum Beispiel für die RTL-Serie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, die seit 1992 in Babelsberg entsteht, aber auch für den dort produzierten preisgekrönten ZDF-Mehrteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“. Im Studio Berlin Adlershof werden „Anne Will“ und „Voice of Germany“ produziert. Weitere Produktionsorte sind Berliner Union-Film (u. a. „Circus Halligalli“), die Fernsehwerft (u. a. „Akte“ und „Berlin Tag & Nacht“) sowie die Havelstudios und die Park Studios, in denen zudem Werbespots hergestellt werden. Das Medienboard Berlin-Brandenburg hat bereits versucht, beide Länder gemeinsam betrachten zu lassen. Doch mit Verweis auf Hamburg, dessen Umland der Hansestadt ebenfalls nicht zugerechnet wird, wurde dies abgelehnt.

Für den Standort Berlin gibt es zudem Hoffnung aus anderer Richtung. Einerseits sind Serien ein großes Thema – die ARD und Sky lassen von Tom Tykwer hier die Serie „Babylon Berlin“ mit zweimal acht Folgen für insgesamt 40 Millionen Euro produzieren –, andererseits kann auch die Bedeutung von Streamingdiensten dem Standort weiteren Schub verleihen. Matthias Schweighöfer dreht hier die erste deutsche Amazon-Serie „You are wanted“. Auf diesen Trend setzt auch das Medienboard.

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