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Medien: Rau hält „Bild“ Kampagne vor

Bundespräsident fordert von Journalisten mehr Verantwortungsbewusstsein

Nachdem im letzten Jahr Bundeskanzler Gerhard Schröder über sein Verhältnis zu den deutschen Medien gesprochen hatte, war es nun an Bundespräsident Johannes Rau, deren Situation kritisch zu beleuchten. Es gebe „Entwicklungen, die mir Sorge machen“, sagte Rau bei der Jahrestagung der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche in Hamburg. Er stellte zehn Kriterien für guten Journalismus auf, mit denen gleichzeitig etliche Kritikpunkte verbunden waren. So sei das Selbstbewusstsein junger Journalisten oft ihrer Sachkompetenz voraus, weswegen er für eine umfassende Ausbildung plädierte. Er empfinde es manchmal als „blamabel“ zu erleben, dass Korrespondenten in Berlin die Mechanismen der Gesetzgebung nicht kennen. „Wie sollen Journalisten den Bürgern Vorgänge vermitteln, wenn sie selbst nicht verstehen, was passiert?“, fragte Rau. Außerdem müsse trotz Sparzwängen und Stellenstreichungen in Verlagen und Rundfunkhäusern klar bleiben, dass guter Journalismus eben auch Geld koste. Rau kennt den Jouralismus auch von der anderen Seite: In den 50ern hatte er selbst mal als Journalist gearbeitet.

Einen Schwerpunkt in seiner Rede bildete ein Thema, das bereits im vorangegangenen Podiumsgespräch debattiert worden war: Medienkampagnen – wie etwa die „Bild“-Aktion „Ich habe die Schnauze voll“ gegen die Ökosteuer. „Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Populismus in der Politik und dem in den Medien“, sagte Rau. So müsse, wer die Ökosteuer abschaffen wolle, gleichzeitig erwähnen, dass dann die Rentenbeiträge angehoben werden müssten. „Einerseits verlangt die Presse, endlich auch unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen. Wird das dann versucht, hagelt es am nächsten Tag Kritik.“ Gute Journalisten müssten gerade in diesen Fragen einen klaren Standpunkt haben und ihren eigenen Kopf, wenn es um das Setzen von Themen geht. „Es kann nicht darum gehen, die Gesellschaft in permanenter Dauererregung zu halten“, sagte Rau. „Damit werden Politikverdrossenheit gefördert und Vertrauen zerstört.“

Für Entgleisungen und haltlose Vorwürfe müssten die Medien auch entsprechend abgestraft werden. Denn selbst die Menschenwürde werde „immer öfter angetastet“, sagte Rau. So findet er es zum Beispiel „nicht akzeptabel“, wenn Fotos von toten deutschen Polizeibeamten im Irak veröffentlicht werden. Die „Bild“- Schlagzeile „Frau Minister, Sie machen uns krank“ stellt für Rau ebenso eine gezielte Verletzung dar. Es sei ein „Armutszeugnis für Blattmacher und Programmverantwortliche, wenn sie sich mit dem Hinweis ,Die Zuschauer wollen das so’ aus der Verantwortung stehlen wollen“. Die RTL-Sendung „Dschungelcamp“ nannte er abstoßend.

Der Preis „Verschlossene Auster“, den das Netzwerk Recherche jährlich einem besonders medienunfreundlichen Unternehmen oder einer Person verleiht, geht diesmal an die Hypo-Vereinsbank. Sie erhält ihn stellvertretend für fast alle Dax-Unternehmen, die Hörfunk- und TV-Journalisten an der Berichterstattung über ihre Hauptversammlung hindern.

Begonnen hatte die Veranstaltung am Freitagabend mit einem emotionsgeladenen Thema: „Journalisten zwischen Kritik an der israelischen Politik und dem Vorwurf des Antisemitismus“. Dazu saßen unter anderem auf dem Podium der israelische Botschafter Shimon Stein, Andreas Cichowicz, Chefredakteur NDR Fernsehen, und Hans Leyendecker von der „Süddeutschen Zeitung“. Das zweite Streitgespräch des Abends widmete sich den „Deutschen Journalisten und dem Islamismus“; hier wurde die Frage debattiert, ob die Medien nach jahrelangen Berichten über die heile Multikulti-Gesellschaft nun die Angst vor dem islamistischen Terror schürten.

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