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Medien: „Rauchen verursacht gelbe Vorhänge“

Wie Kreative mit den Warnhinweisen auf Zigarettenschachteln umgehen

Angenommen, auf Schokoladentafeln stünde der Hinweis: „Süßigkeiten verursachen Karies und machen dick.“ Darüber, dass es so ist, besteht kein Zweifel, und auch die gesundheitlichen Risiken des Naschwerkverzehrs sind bekannt – schlechte Zähne gehören noch zu den harmloseren Folgeleiden, der etwas schlimmere Verlauf kann mit Übergewicht beginnen und beim tödlichen Herzinfarkt enden. Glück für die Süßwarenindustrie, dass ihre Produkte noch frei von Warnhinweisen sind.

Auch darüber, dass Zigaretten die Gesundheit schädigen, besteht kein Zweifel. Der Unterschied: Hier muss es draufstehen. Seit 1. Oktober sogar ziemlich groß. Die neue Tabakverordnung schreibt „30 vom Hundert der Fläche“ auf der Packungsvorderseite und 40 Prozent hinten vor, die Schrift in Helvetica fett, schwarz auf weißem Hintergrund. Klare Vorgaben, die die Warnhinweise unübersehbar machen. Und die Zigarettenindustrie? Muss ein Produkt bewerben, das von Krankheit, ja von Tod kündet.

„Für uns ist das kein Problem“, sagt Adrian Wille von KNSK. Die Werbeagentur betreut seit 1989 die mehrfach ausgezeichnete Kampagne für Lucky Strike, in der seit jeher die Schachtel im Mittelpunkt steht. Und das soll auch so bleiben: „Wir werden weiterhin mit der Packung werben“, sagt Wille. Er glaube nicht, dass die neuen Aufdrucke das Konsumentenverhalten beeinflussen – der Raucher wisse auch so, was er sich zumutet.

Die neuen Werbemotive zeigen allerdings, dass KNSK die klotzigen Warnhinweise durchaus geschickt zu verdecken sucht: So sind unter der Überschrift „Ganz schön blöd, wenn man über Nacht zum Star wird“ zwei zu Sternen gefaltete Lucky-Strike-Schachteln zu sehen – die Botschaft „Rauchen kann tödlich sein“ verschwindet elegant in einem Knick.

Solche Tricks wendet auch die Werbeagentur der Zigarettenmarke West an. In einer aktuellen Printanzeige stecken zwei Schachteln in einer Hosentasche, gezeigt werden so nur die oberen Hälften der Packungen. Die Warnhinweise sind vom Jeansstoff versteckt.

Die Kniffe der Werber sind völlig legitim. „Die Kennzeichnungsrichtlinie bezieht sich nur auf die Packung“, sagt Volker Nickel vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft. In der Werbung müssen die Warnhinweise demnach überhaupt nicht gezeigt werden. „Wer die Packung kauft, hat die Warnung sowieso schwarz auf weiß vor sich“, sagt Nickel.

Aber nicht nur die Werbeagenturen, sondern auch genervte Raucher haben sich inzwischen einiges einfallen lassen, um die Packungsbeschriftung zu verdecken. Unter www.zigarettenetiketten. de können sich Nikotinkonsumenten mit Basteltrieb ihre eigenen Botschaften herunterladen, ausdrucken und zurechtschneiden, darunter „Die Renten sind sicher!“, „Sterben muss man sowieso – schneller geht’s mit Marlboro.“ und „Raucher atmen bewusster“. Auch die Webdesign- Agentur Firemove.de war kreativ: Heraus kamen Sprüche wie „Es lebe der Auswurf“, „Rauchen macht lila Füße – cool“ oder „Kettenraucher leben länger als Nichtraucher in Ketten“.

Während die Papieretiketten kostenlos im Netz herunterzuladen sind, schlägt die Firma Eurecon aus den Warnhinweisen indirekt Profit. Unter dem Namen „Wrapsy“ vertreibt sie bunte Papphüllen für Zigarettenschachteln, die genau die untere Hälfte bedecken. Die Geschäftsidee scheint Erfolg zu haben: Laut Jan Björn Potthast von Eurecon sind schon 2,5 Millionen „Wrapsys“ zum Stückpreis von 40 Cent verkauft worden.

Weniger geraucht wird seit dem 1. Oktober offenbar nicht – im Gegenteil: Tabakhändler berichten, dass die 14 verschiedenen Warnsprüche die Sammelleidenschaft mancher Raucher anheizen und so den Zigarettenkauf eher fördern als ihn zu unterbinden. In Kanada hat das Sammelfieber längst um sich gegriffen, weiß Wille: „Die Fotos von Raucherlungen und -beinen, die dort seit Jahren die Zigarettenpäckchen schmücken, sind begehrte Sammelobjekte.“

Alternative Aufdrucke:

www.zigarettenetiketten.de

www.rauchergedicht.de

Merlind Theile

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