zum Hauptinhalt
„Eine Baustelle ist eine Baustelle.“ Im September wurden Journalisten bei einer Besichtigungstour durch den Flughafen geführt. Zwei Monate später wollte ein Reporter zeigen, dass man sich auch sonst leicht Zugang zum Gelände verschaffen konnte.

© Reuters

RBB-Beitrag zum Skandal-Flughafen: Die etwas andere Lücke im BER-System

Ein Reporter spaziert ungehindert durch die BER-Baustelle. Der RBB sendet den Beitrag trotzdem nicht, obwohl das Honorar gezahlt wird. Aber so ein skandalträchtiges Thema findet seinen Abnehmer.

Genau 26 Minuten vergingen, bis der Reporter von Sicherheitskräften auf dem im Bau befindlichen Flughafen BER angesprochen und nach seinem Baustellenausweis gefragt wurde. Schwarze Jeans, schwarze Stoffjacke, ein orangefarbene Warnweste von der Tankstelle für 5,99 Euro und ein Bauhelm, so war der Journalist unkontrolliert durch den Baustellenzugang gelangt. In aller Ruhe hatte er sich durch das hell erleuchtete Terminalgebäude bewegt, vorbei an Check-in-Schaltern, durch Flure mit Elektro-Schaltschränken, selbst die Tür zum Flugfeld erwies sich als unverschlossen. Mehrfach gingen Sicherheitskräfte an ihm vorbei, grüßten freundlich. So ist es auf dem Video zu sehen, das der Mitarbeiter einer Berliner TV-Produktionsfirma mit versteckter Kamera aufnahm. Gesehen haben den Film indes nur wenige, denn zur Ausstrahlung in der RBB-Sendung „Brandenburg aktuell“ kam der Film nicht. Dennoch zahlte der Sender das Honorar anstandslos.

Die Berliner TV-Produktionsfirma Media Akzent mit ihren sechs Mitarbeitern hat sich auf Investigativstorys spezialisiert und arbeitet vorwiegend für öffentlich-rechtliche Sender wie den WDR oder das ZDF. Einsätze mit versteckter Kamera gehören zum TV-Geschäft, bei einigen Recherchen reagierten die Betroffenen schon mal mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruch. So wie bei einer Recherche über nachlässige Ärzte, die die Patientenakten nicht ordnungsgemäß entsorgten. Weil journalistische Berichte im öffentlichen Interesse lägen, seien jedoch bislang sämtliche Verfahren gegen die Produktionsfirma eingestellt worden, sagte Redaktionsleiter Matthias Wolf.

Auch die Recherchen auf dem Baustellengelände des BER Ende November 2012 zogen eine Anzeige der Flughafengesellschaft nach sich. Am Anfang der Geschichte stand der Tipp eines Informanten. Obwohl erst im August durch eine Razzia der Polizei beim Großflughafen herausgekommen war, dass ein von offiziellen Seiten als gefährlich eingestufter Islamist, der zum harten Kern der Berliner Salafistenszene gezählt wurde, als Sicherheitsmann gearbeitet hatte, sei es immer noch möglich, unkontrolliert das Baustellengelände zu betreten, berichtete der Informant. Die TV-Produktionsgesellschaft nahm Kontakt zur Redaktion von „Brandenburg aktuell“ auf und begann mit der Arbeit. Dass ein Auftrag erteilt wurde, wird vom Sender allerdings bestritten, auch wenn die Zuarbeit Ende Dezember honoriert wurde. „Der RBB erteilt keine Aufträge zu Einbrüchen“, sagte RBB-Sprecher Justus Demmer dem Tagesspiegel. „Wir starten eine solche Recherche nicht, aber wir berichten darüber, wenn uns entsprechendes Material erreicht.“

Eine brisante Story

Zu einer brisanten Story wurde die Recherche dennoch. Die „Bild“-Zeitung griff den Vorfall wenige Tage später auf: „Hat der RBB einen Reporter am BER einbrechen lassen?“, fragte das Blatt und berichtete ohne Angabe von Quellen, dass der Reporter „die Absperrungen der BER-Baustelle“ überwunden hatte. Eine Falschmeldung, wie das Video belegt. Doch der Sender widersprach der „Bild“-Darstellung nicht, der RBB-Sprecher sagte damals: „Sollten die Vorwürfe zutreffen, entspricht das nicht unseren journalistischen Standards“. Dabei hätte ein Anruf bei der Produktionsfirma für ein Dementi ausgereicht. Doch dazu kam es nicht. Unterdessen betont der RBB, dass man auch vor heißen Eisen nicht zurückschrecke: „Investigative Recherchen zum Beispiel der ,Kontraste‘-Redaktion zu illegalen Waffengeschäften gehören zum Kern der journalistischen Arbeit eines öffentlich-rechtlichen Senders“, sagte Justus Demmer.

Der Umstand, dass ein getarnter Journalist eine halbe Stunde auf dem Baustellengelände herumlaufen konnte, war für den RBB jedoch keine Story mehr: Die Geschichte habe nicht funktioniert, weil der Reporter enttarnt worden sei. Es habe somit keine Beweis für eine Sicherheitslücke gegeben. Zudem habe „Brandenburg aktuell“ noch andere Berichte zum Flughafen gehabt, unter anderem über ein Gutachten, dass BER zu klein sei.

Der Flughafen GmbH konnte das recht sein, zumal aus Sicht des Unternehmen weder aus dem Salafisten-Fall noch aus der TV-Recherche eine Sicherheitslücke geschlossen werden konnte. Die Kontrolle des enttarnten Islamisten habe „außerhalb des Baustellengeländes (und damit außerhalb des zukünftigen BER-Luftsicherheitsbereiches) und außerhalb des Luftsicherheitsbereiches des bestehenden Flughafens Schönefeld“ stattgefunden, stellte das Unternehmen fest. Die Pressemitteilung zur TV-Reportage gipfelte in der Feststellung: „Eine Baustelle ist eine Baustelle und kein Luftsicherheitsbereich.“ Doch das erfuhren die Zuschauer von „Brandenburg aktuell“ nicht.

Zur Startseite