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Reaktion zum Reichsparteitag: Im Eifer des Gefechts?

Die Fußball-Weltmeisterschaft hatte für Deutschland gerade erst begonnen, da kam es zum ersten größeren Medienaufreger. "Innerer Reichsparteitag": ZDF entschuldigt sich für "verbale Entgleisung".

In der Halbzeitpause der Begegnung Deutschland gegen Australien am Sonntagabend zog ZDF-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein einen folgenschweren Vergleich: „Und für Miroslav Klose: ein innerer Reichsparteitag, jetzt mal ganz im Ernst, dass der heute hier trifft“, sagte sie zum WM-Experten des ZDF, Oliver Kahn, der darauf erwiderte: „Ja, das ist für ihn eine Erlösung.“

Von einer solchen Erlösung wie nach Kloses Kopfballtor war das ZDF danach weit entfernt, trotz der Entschuldigung, die am Montag folgte: „Das ist eine verbale Entgleisung, die ihr und uns leidtut. Sie ist im Eifer der Situation entstanden. Wir bedauern das, und das wird so auch nicht mehr vorkommen“, sagte ARD/ZDF-Teamchef Dieter Gruschwitz am Tag nach dem WM-Spiel. „Das ist ein umgangssprachlicher Ausdruck, der nicht in die Fernsehsprache gehört“, sagte der Teamchef, der sich am Sonntagabend bereits per Twitter zu dem missverständlichen Einwurf seiner Moderatorin geäußert hatte. Direkte Konsequenzen wird der Ausrutscher für die Fernsehjournalistin allerdings nicht haben.

Für die Bundesregierung ist die Diskussion um die verbale Entgleisung der 44-jährigen ZDF-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein bei der Fußball-WM mit der Reaktion des öffentlich-rechtlichen Senders vorerst erledigt. Das ZDF hat sich entschuldigt und ein Gespräch mit der Journalistin geführt. „Dementsprechend sind wir mit der Reaktion des ZDF zum jetzigen Zeitpunkt zufrieden“, sagte Vizeregierungssprecher Christoph Steegmans.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat in der Diskussion über den Vergleich zu mehr Gelassenheit gemahnt. „Sicher, dieser Ausdruck wird umgangssprachlich viel zu häufig leichtfertig benutzt“, sagte der Vizepräsident des Zentralrats, Dieter Graumann, zu Handelsblatt Online. „Dennoch rate ich von Hysterie und übertriebener Aufgeregtheit ab.“

Die ersten Meinungsäußerungen hatte es im Internet bereits während der zweiten Halbzeit gegeben, am Montag liefen die Blogs endgültig voll. Bei Facebook haben sich mehrere Gruppen zu KMH, wie die Moderatorin genannt wird, gebildet. Eine Gruppe meint, die ZDF-Moderatorin „sollte sich was schämen“, eine andere fordert den sofortigen Rücktritt. Eine Pro-Müller-Hohenstein-Gruppe fordert hingegen: „Bitte nicht das gleiche Schicksal wie Eva Herman.“

Für einen Teil der Zuschauer stammt der Ausdruck jedenfalls direkt aus dem „Wörterbuch des Unmenschen“ oder dem aktuelleren „Wörterbuch der Vergangenheitsbewältigung“, bei dem es um von den Nazis missbrauchte Begriffe geht, die inzwischen wieder verstärkt in der Alltagssprache auftauchen. So existieren auch für den Begriff „innerer Reichsparteitag“ mehrere Deutungen. Einerseits wird die NS-Floskel als Gefühl tiefster Befriedigung oder Genugtuung angesehen, andererseits wird allein durch die Erwähnung der monumentalen Parteitagsveranstaltungen in Nürnberg der „innere Reichsparteitag“ als private Zelebration rechtsradikalen Gedankenguts oder als Verinnerlichung des faschistischen Größenwahns interpretiert.

Der Begriff „innerer Reichsparteitag“ wird auch in Wikipedia erörtert. Im letzten Absatz geht es ganz aktuell um Müller-Hohensteins Lapsus: „Obgleich die Formulierung vielerorts auch verteidigt wurde, weist dies – ebenso wie seine Nichtberücksichtigung in Neuauflagen des Sprichwörterdudens – auf eine gesunkene Akzeptanz des Begriffs in der deutschen Sprachgemeinschaft hin.“

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