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REALITY-TV AUF DEUTSCH: Brust größer, Bauch kleiner

Kann das Fernsehen das Leben seiner Zuschauer verschönern, verbessern, verlängern? Tausendundeine Servicesendung versuchen nichts anderes.

Kann das Fernsehen das Leben seiner Zuschauer verschönern, verbessern, verlängern? Tausendundeine Servicesendung versuchen nichts anderes. Aber dass sich ein „Weißkittel“ über eine Hüftprothese beugt, das reicht dem Medium längst nicht mehr. Es müssen betroffene Menschen her, die bereit sind, ihre Leiden, Mängel und Malaisen öffentlichkeitswirksam auszustellen. Damit Lebenshilfe im Lebenshilfe-TV, im Reality-TV aufgehen kann.

So harmlos wie erfolgreich ist das „Schöner Wohnen“-Konzept, das Tine Wittler im Privatsender RTL umsetzt. Aus einer hässlichen Bude wird beim „Einsatz in vier Wänden“ ein geschmackvolles Intérieur.

Das Thema „Beziehung“ ist wie geschaffen für dieses Fernsehen: Erst suchte Marcel M. in der RTL-Kuppelshow „The Bachelor“ seine Frau (angeblich) fürs Leben, dann erwählte sich die „Bachelorette“ und heutige Oliver-Pocher-Freundin Monica Ivancan aus 25 testosterongetriebenen Kerlen einen Mann (für wenige Monate). Radikaler war der Einbruch der indiskreten Kamera in den intimen Bereich bei „The Swan – endlich schön!“; der 2004 bei Pro 7 ausgetragene Wettbewerb versammelte 16 Frauen, deren schönste nach mehreren Runden und Schönheits-OPs vom Publikum bestimmt wurde. Dem massentauglichen Übergewicht rückte RTL 2005 mit dem „Diät-Duell“ zu Leibe.

Der weitgehende bis komplette Verlust der Privatsphäre („Super-Nanny“!) ist nicht die Sache öffentlich-rechtlicher Reality-Formate. Zwar schickt die ARD Mitbürger in die Steinzeit und das ZDF Familien in den Oman, aber eben nicht B-Promis ins „Dschungelcamp“ (RTL). Das „gute“ Reality-TV sucht über Unterhaltung hinaus einen höheren Grad der Rechtfertigung. Der MDR bemühte sich um Arbeitslosen-TV: Artern, der „Stadt der Träume“ in Thüringen mit enormer Erwerbslosenquote, sollte geholfen werden. Das kam raus wie die „Lindenstraße“, so viele Sympathieträger liefen durchs Bild. Nur die Investoren, die kamen nicht bis Artern. Joachim Huber

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