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Medien: Reden ist Gold

Während Olympia talkt Beckmann jeden zweiten Tag. Ein Probelauf? Will er der Kerner der ARD werden?

Er sitzt an einem großen Tisch in einem sonst leeren Raum und guckt sein Gegenüber mit freundlich-lustigen Augen an. So als wollte er signalisieren: Ich bin dein Freund – und will mal sehen, was ich aus dir rauskitzele. So kennen Fernsehzuschauer den ARD-Talkmaster Reinhold Beckmann. Früher war er der, der einem bei der Sat1-Sportschau „ran“ die Bundesligaspiele nahe brachte. Während der Olympischen Spiele verbindet Beckmann Talk und Sport: In „Beckmanns Olympia Nacht“ unterhält er sich alle zwei Tage mit prominenten Olympia-Besuchern, früheren und aktuellen Siegern, vielleicht auch mit Unterlegenen. Ein Aufgalopp für den Vielzweck-Talker, eine Proberunde, um demnächst noch öfter auf den Bildschirm zu kommen? Beckmann, hat man den Eindruck, will wie Kerner werden; sein Dauerkonkurrent sendet im ZDF bereits täglich.

Mensch, lass uns also ein bisschen über Beckmann reden. So würde Beckmann selbst wahrscheinlich diesen Artikel beginnen. So fängt er seine Sendungen oft an. Er duzt gerne seine Gäste, und wenn er „Mensch, lass uns mal…“ sagt, schlenkert er den Arm. Beckmann ist locker. „Menschenskinder“, sagt er, und das bedeutet: Hey, hier kann man doch sagen, wie’s ist, wir brauchen uns doch nichts vorzumachen. Beckmann lädt Politiker und Stars verschiedener Profession ein, und es ist immer heiter, denn wir sind ja schließlich alle Menschen.

Bei Politikern ist er manchmal angriffslustig. Die sind das gewöhnt, die können das ab, mit denen ist man hinterher wieder gut. Beckmann stellt provokative Fragen, er unterbricht lange Politikerreden. Als er Peter Gauweiler (CSU) und Oskar Lafontaine (SPD) vor der letzten Bundestagswahl gleichzeitig befragte, formulierte er die These: „Zwischen Ihnen gibt es kaum Unterschiede!“ Tatsächlich schrieben beide regelmäßig Kolumnen in der „Bild-Zeitung“, und in ihrer Kritik an Bundeskanzler Schröder waren sie sich tatsächlich nahe. „Im Grunde“, sagte Beckmann zu Lafontaine, „ist der Gauweiler ein Linker!“ Und Gauweiler hielt den von der SPD geschassten Rudolf Scharping für einen sehr anständigen und klugen Menschen. Im Grunde, so kam es rüber, sind wir halt alle gleich.

Einen Politiker wollte Beckmann unbedingt in seiner Sendung haben: Bill Clinton, den ehemaligen Präsidenten der USA, der im Juli Deutschland besuchte. Clinton war schon fest gebucht. Johannes B. Kerner hat ihn in letzter Sekunde abgeworben. Das ZDF hat das Gespräch ausgerechnet zu Beckmanns angestammter Sendezeit, Montag Nacht, ins Programm gehoben. Beckmann, hieß es, verstand das als Kampfansage.

Beckmanns Gast war an jenem Montag das Fotomodell Heidi Klum, er lief zu voller Form auf. „Ach Mensch, lass uns ein bisschen über Leni reden“, begann er. Denn Heidi Klum hatte drei Monate zuvor ihre Tochter Leni zur Welt gebracht. Auf dem Flug nach Deutschland, berichtete sie, habe sie ihr Gepäck und das Baby selbst getragen. „Eine ganz normale Mutter also!“ stellte Beckmann fest. Zwischendurch wurde ein Zitat aus dem „New York Magazine“ eingeblendet, das die Beckmann-Redaktion wohl für wichtig hielt: „Heidi Klum – begehrteste Frau der Gegenwart“. Beckmann will noch wissen, wie denn der Jürgen – Heidis erster Freund überhaupt – ihr Herz erobert habe. „Es gibt einen Zauber, der dich doch packt. Was müssen Männer tun, um dich zu gewinnen?“ Eine merkwürdige Frage, und andere, Heidis Liebe betreffend, folgten, bis sie schließlich auf den Tod von Heidi Klums Oma kamen. Dann auf den BH aus Edelsteinen im Wert von 12,5 Millionen Dollar, den Klum bei einer öffentlichen Präsentation tragen durfte. „Wie fühlt sich das an?“ Heidi Klum wurde schließlich etwas müde. „In der Zeitung klingt alles immer interessanter“, sagte sie. Da war Beckmann wieder bei seiner Zentralthese angekommen: „Die Wirklichkeit ist wie bei allen Müllers, Meiers gleich banal?“

Die Sendung mit Heidi Klum – war das so etwas wie Yellow-Press-Fernsehen light, auf öffentlich-rechtliche Art? Oder war Beckmann schlicht verliebt?

Er kann auch anders mit seinen Gästen umgehen. Zum Beispiel mit Helmut Berger, dem gerade 60 Jahre alt gewordenen Filmstar und früheren Geliebten des italienischen Regisseurs Visconti. Ein gesetzter Herr, wortkarg, der nicht viel Aufhebens machen wollte von den wilden Jahren, in denen er ein Liebling des Jet Sets gewesen war. Beckmann gelang es, Intensität aufzubauen. Vorbei, längst vorbei ist das alles; Berger, sichtbar gealtert und ernüchtert: „Den ganzen Zirkus mach ich nicht mehr mit. Wenn ich nicht in Form bin, geh’ ich nicht mehr aus dem Haus. Bin auch sehr allein.“ Den letzten Satz hat Beckmann nicht aufgegriffen. Vielleicht passte er nicht so in sein Konzept.

„Ja, Mensch, was bedeutet euch Helmut Berger?“ Das war Beckmanns Überleitung zum anschließenden Gespräch mit drei jungen Schauspielerinnen, allesamt Töchter großer Schauspielerfamilien. Es war wieder lustig. Doch, Beckmann kann was. Er kann sogar mehr, als er uns meistens präsentiert. Nur etwas mehr Tiefgang kann er sich durchaus leisten. Vielleicht kommt das noch, später, wenn er erst einmal Bioleks Erfahrung hat. Jetzt will er halt locker sein.

Das Duell mit Kerner hat er übrigens gewonnen: Mit Heidi Klum hatte er die weitaus bessere Einschaltquote als Clinton im ZDF. In den vergangenen Wochen haben Wiederholungen von alten „Beckmann“- Sendungen sogar mal die Live-Show von „Anke Late Night“ geschlagen. Vielleicht widmet die ARD ja seine Sendung in eine tägliche um? In Athen kann er beweisen, dass ihm so schnell das Mitgefühl nicht ausgeht. In der Auftaktsendung heute sind Verona Feldbusch, Rudi Carrell, Jan Ullrich und Mark Spitz zu Gast. „Mensch Leute, was haltet ihr von Olympia?“ wird Beckmann fragen. Wetten?

„Beckmanns Olympia Nacht“: 23 Uhr

15, ARD; weitere Folgen jeden zweiten Tag zur gleichen Zeit.

Eckart Lottmann

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