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Reich-Ranicki-Disput: Wut und Nachhut

Elke Heidenreich will Fernsehen nicht länger verteufeln.

Elke Heidenreich versteht sich auf den Duktus von Marcel Reich-Ranicki. „Ich nehme diesen Preis an“, sagte die Kritikerin am Dienstagabend bei der Verleihung des Hans-Bausch-Mediapreises in Stuttgart. Reich-Ranicki hatte den Ehrenpreis des Deutschen Fernsehpreises am Samstag brüsk zurückgewiesen: Er habe bei der Gala zu viel „Blödsinn“ gesehen. Heidenreich, selbst Moderatorin, Literaturkritikerin und Autorin, sagte, sie freue sich sehr über den Preis des Südwestrundfunks.

Zugleich rief Heidenreich ihren Kollegen Reich-Ranicki dazu auf, nicht mit Moderator Thomas Gottschalk über die Qualität des Fernsehens zu diskutieren. „Tu es nicht, es ist der Falsche“, sagte Heidenreich. Gottschalk hatte die Gala moderiert, bei der Reich-Ranicki den Ehrenpreis verweigert hatte. Das ZDF zeichnete einen Tag später, am Mittwoch, das Gespräch zwischen ihm und Reich-Ranicki auf, das als Sondersendung am Freitag um 22 Uhr 30 ausgestrahlt werden soll. ZDF-Intendant Markus Schächter hat seine Teilnahme am „TV-Gipfel“ zusagt. Die Moderatorin der ZDF-Sendung „Lesen!“ hatte in der „FAZ“ geschrieben, sie schäme sich, „in so einem Sender überhaupt noch zu arbeiten“.

Heidenreich hofft, ihre eigene Sendung werde bald um 21 Uhr abends statt erst um 22 Uhr 30 ausgestrahlt. „Jetzt habe ich ja gerade Krach angezettelt, aber sie werden mir das schon verzeihen.“ Das seien ja „keine bösen Männer da beim ZDF.“ Sie verhandele gerade über „Lesen!“. Wenn sie abends einschlafe, gestand Elke Heidenreich am Dienstag, wünsche sie sich manchmal: „Hättest du mal die Klappe gehalten“. Mit Verweis auf ihren „Wutausbruch“ in der „FAZ“ betonte Heidenreich, dass sie nicht das Fernsehen an sich verteufeln wolle. Sie halte das Programm nicht grundsätzlich für schlecht, aber die öffentlich-rechtlichen Sender „sollten sich nicht gemein machen mit den Privaten“, forderte die 65-Jährige. Ihre Kritik ziele in erster Linie darauf, dass ARD und ZDF ihren Kulturauftrag ernst nehmen müssten: „Kultur kann doch auch eine gute Unterhaltungssendung sein.“

Heidenreichs Laudator, CDU-Politiker Heiner Geißler, kritisierte, die Ökonomisierung des Fernsehens dränge die Kultur „an die letzte Stelle“. Geißler erklärte den Erfolg von Elke Heidenreich und ihrer Sendung „Lesen!“ auch damit, dass sie nie Kritik übe, sondern lobe. SWR-Intendant Peter Boudgoust sagte, Heidenreich habe einen Preis erhalten, der „nicht das Leipziger Allerlei des Fernsehschaffens“ prämiere. Ihre Arbeit zeige, dass Literaturkritik nicht abgehoben und unverständlich sein muss, sondern auch handfest und verständlich sein könne. Die Aufzeichnung der Veranstaltung ist am Sonntag im SWR, 23 Uhr 30, und Dienstag in 3sat, 14 Uhr 30, zu sehen.

Reich-Ranicki sagte derweil der „Vanity Fair“, dass er erwartet, dass seine Kritik am Fernsehen Veränderungen bewirken wird. Er könne sich nicht erklären, weshalb sich die Senderchefs mit so wenig Qualität zufrieden gegeben hätten. Am Mittwoch hieß es vom WDR, man wolle mehr Kultur zeigen. (jbh/hah)

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