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© dpa

Fußball-Bundesliga: Reif für die Insel

Der Leipziger Sender "90elf" will die Fußball-Bundesliga live als Internet-Hörfunk etablieren. Während der Übertragung werden im Chat Fragen beantwortet.

Gäbe es drei Dinge, die ein Fußballbegeisterter auf eine einsame Insel mitnehmen dürfte, gehörte das bestimmt dazu: ein Radio – für die Bundesliga-Konferenz am Samstag, der Klassiker unter Fußballpuristen. Dagegen kommt kein Pay-TV, kein Premiere-Decoder an. Hardcorefans brauchen dann vielleicht auch noch die Bilder dazu, abends in der „Sportschau“. Im Zweifelsfall wäre aber auch das noch verzichtbar. Auf dieses Potenzial setzt Florian Fritsche, der pünktlich zum Bundesliga-Comeback heute Abend mit „90elf“ an den Start geht, „Deutschlands erstem Fußball-Radio“.

„Rund neun Millionen Fans hören am Samstagnachmittag die Bundesliga-Übertragungen im Radio“, sagt Fritsche. „Die ,Sportschau’ um halb sieben hat rund fünf Millionen Zuschauer.“ Dazu kommt: Hohe Internetaffinität bedeute laut Umfragen hohe Fußballbegeisterung. „90elf“ läuft nur im Internet. Sieben Tage, 24 Stunden. Kein üblicher Dudelfunk wie bei anderen Privatsendern, auch nicht Reportagen-Einbahnstraßen pur, sondern „eine Art interaktives ,11 Freunde‘ fürs Internet-Radio“, so der hehre Ansatz von Florian Fritsche, Geschäftsführer der Radioholding Regiocast, in Anlehnung an das etwas andere Fußball-Magazin.

Wöchentlicher Höhepunkt bleibt der Samstagnachmittag. Alle Spiele der ersten und zweiten Liga in voller Länge live und kostenlos, einzeln abrufbar oder in der Konferenz. Damit das Ganze mit der klassischen Radio-Konkurrenz, mit den vertrauten Live-Reportagen von Werner Hansch oder Sabine Töpperwien mithalten kann, wurden große Reporternamen verpflichtet. Günther Koch, streitbarer Ex-Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks und des Pay-TV-Kanals Arena, geht nun ins Internet, hat sich bereits im grün-weißen „90elf“-Trainingsanzug ablichten lassen. Auch der langzeitarbeitslose Fußball-Trainer Peter Neururer hat nach Einsätzen als TV-Experte bei „90elf“ eine neue Anstellung gefunden. Weitere bekannte Stimmen sind im Gespräch. Dazu freie Mitarbeiter in den Stadien und ein rund 20 Mann starkes Redaktionsteam im Leipziger Studio mit Chefredakteur Volker Marczynkowski und Chefreporter Tom Hilgers, beide bereits Sportreporter und Moderatoren für diverse Privatsender und den NDR.

Bundesliga live im Internet-Hörfunk? Der interaktive Fußballfan? Mit dem Laptop in den Garten, einfach mal www.elf90.de eingeben und die Lautsprecher hochdrehen? Was ist, wenn mein Rechner nicht hochfährt? Der Server zusammmenbricht? Das kann mit UKW nicht passieren. Und das alles ohne Bewegtbilder? Der gemeine Bundesliga-Fan hat bekanntlich ein hohes Beharrungsvermögen, liebt seine Rituale am Samstagnachmittag: das Kofferradio im Hintergrund beim Autowaschen oder das Handy-Radio mit Kopfhörer im Ohr beim Babywagenschieben oder liegend am See. Da dürfte es als Anreiz kaum ausreichen, bei „90elf“ die „Lusche des Tages“, den Unglücksraben des Spieltages, wählen zu lassen, dreimal am Tag einen Hit aus den Fankurven der Stadien vorzustellen, den „Kurvenkracher“ oder die dramatischsten und lustigsten Schnappschüsse aus dem Fan-Leben vorzustellen.

Florian Fritsche weiß, dass er die Zielgruppe bei Laune halten muss, nicht nur mit Hörbarem und angereicherten Grafik-Features zum laufenden Spiel im Mediaplayer, sondern mit täglichen Videokolumnen, Fan-Fotos und Videos. Die Website des multimedialen Senders soll auch unter der Woche Dreh- und Angelpunkt der Fußballfans sein und einen Mehrwert zur Berichterstattung in Fernsehen und Radio bieten. Und während der Übertragung sollen Fans im Live-Chat Antworten auf Fragen zum Spiel erhalten. Geplant ist, auch andere Formen der Fußball-Reportage einzuführen, beispielsweise beim Spiel Schalke 04 gegen Borussia Dortmund die Partie jeweils aus Schalker und aus Dortmunder Sicht kommentieren zu lassen.

Man kann das überflüssig finden, aber viel mehr sogenannter „User generated Content“ geht mit der Bundesliga-Berichterstattung im Web 2.0 wohl nicht. Es sei denn, man spielt selber mit. Vermutlich großes Entertainment in der jungen Zielgruppe also. Der Deutschen Fußball Liga (DFL), die zurzeit mit der großen TV-Vermarktung der Bundesliga schwerwiegende Probleme hat, dürfte das recht sein. Die Lizenzen für digitale Verbreitungswege (DVB-H, DMB und Internet) der ersten und zweiten Liga hat Regiocast Digital für einen mittleren sechsstelligen Betrag von der DFL erworben, vorerst für eine Saison. Ein unterer einstelliger Millionenbetrag ist insgesamt investiert worden, der durch regionalisierte Werbung und Banner-Spots refinanziert werden soll, so Fritsche. Angestrebt wird auch eine Verbreitung über mobile Endgeräte, wie internetfähige Handys oder Wlan-Radios, die mittlerweile bei Tchibo oder Mediamarkt ab 100 Euro zu haben sind. Die sind noch nicht so verbreitet, lassen sich dann aber vielleicht auch mit auf die Insel nehmen.

Im Internet: www.90elf.de.

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