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Reinhold Beckmann

© dpa

Reinhold Beckmann: Die Simulation von Reportage

Er trifft, er fragt, er ist betroffen: In #Beckmann geht der frühere Talkmaster Reinhold Beckmann ganz nah ran an die Menschen. Die erste Sendung der Reihe drehte sich um das Leid der Jesiden. Doch mit einer Reportage hatte das nur am Rande zu tun.

Mediale Großoffensive. Info-Bombardement auf allen Kommunikationskanälen. Reinhold Beckmann, Ex-ARD-Talker, hat eine neue Reportagereihe mit dem schlichten Titel #Beckmann. Talk mit Markus Lanz. Interview im „Stern“. Artikel in der „Hörzu“, ein Interview mit Redaktionsleiter Stein in quotenmeter.de. Ganzseitige Werbung im aktuellen „Spiegel“. Da fehlt nur der allgemeine Einschaltbefehl. Strafe bei Nichtbefolgen – mindestens eine Woche Fernsehverbot.

Thema der ersten Sendung: „Unser Krieg? Deutsche Kämpfer gegen IS-Terror.“ In einer seiner letzten Talkshows hatte Beckmann vom Schicksal der Jesiden erfahren. Die Jesiden, eine religiöse Minderheit in Nordsyrien, im nördlichen Irak und in der südöstlichen Türkei. Verfolgt von der Terrorgruppe IS. Verjagt, versklavt, ermordet. Reportagen-Einstieg: Kriegsbilder, O-Töne, Beckmann. Nach dem Titel: Bilder von der Front. Hier ist der Eindruck eher entspannt. Da muss mehr Krieg rein. Wackelige Kamera. Granaten-Abschüsse wie an Silvester. Kommentar. „An dieser Front wird deutsch gesprochen. Auf beiden Seiten. Es sind deutsche Staatsbürger aus Bad Oeynhausen, die hier gegen IS-Terroristen kämpfen. Der Krieg ist 3000 Kilometer entfernt und doch ganz nah.“

#Beckmann: Mit dem Auto direkt ins Kriegsgebiet

#Beckmann ist eine Reportage-Sendung. Und Beckmann der Reporter. Und ziemlich oft im Bild. Besuch bei einer jesidischen Familie in Bad Oeynhausen. Er kommt zum Haus, tritt ein, begrüßt: „Morgen erst mal. Ich bin richtig hier bei Familie Sheshos? Ja. Danke, Danke.“ Dann will er herausfinden, warum Sohn Seleman in den Krieg zieht. Zweiereinstellung. Die Antworten von Seleman werden gekürzt. Damit die Schnitte nicht sichtbar sind, gibt es Beckmann nah. Solche Zwischenschnitte werden nach dem Interview aufgenommen. Deshalb wirken sie auch so gespielt. Schauspieler-Ausdruck: ganz aufmerksam zuhörend.

Beckmann fährt nach Oldenburg. Trifft dort eine jesidische Studentin, besucht mit ihr eine Sammelstelle für Hilfsgüter. Interviews mit Kindern. Beckmann wieder im Bild. Nächste Station – die Stadt Dohuk. Türkisch-irakische Grenze. Beckmann trifft in einem Restaurant Seleman. Front-Nähe und Kriegsatmosphäre - Beckmann trägt Olivgrün. Parka. Und Dreitagebart.

Dann per Auto direkt ins Kriegsgebiet. Weil das alles bis jetzt eher gemütlich abläuft, wird mit Off-Text künstlich etwas Dramatik erzeugt. „Hier kann der IS jederzeit einen Überraschungsangriff starten. Plötzlich ein Stopp. Doch dann die Erleichterung. „Selemans Vater Quasim Shesho hat uns erreicht.“ Nächste Station – ein Lager in Zakho. Beton-Rohbauten. Hier leben, oder besser vegetieren jesidische Flüchtlinge.

Das personifizierte schlechte Gewissen

Beckmann stapft wie das personifizierte schlechte Gewissen umher. Aber immerhin gibt es hier eindringliche Bilder und Interview-Passagen. Beckmanns Begleiterin fängt an zu weinen. Beckmann nimmt sie in den Arm, tröstet sie. In diesem Moment ist er echter Reporter, kein Reporter-Darsteller. 20 Sekunden Gefühl, Empathie. Die ganze Sendung dauert 45 Minuten. Schlechtes Verhältnis.

Das Prinzip dieser Reportage-Form: Beckmann trifft. Beckmann stellt Fragen. Beckmann ist betroffen. Eigentlich eine Talkshow, nur mit wechselnden Schauplätzen. Und wo die Bilder nicht so viel hergeben, wird mit Kommentaren dick aufgetragen: „Ein rollendes Zeichen der Hoffnung“, „Ihre Augen erzählen vom Terror“, „Rituale der Politik“, „Die Inszenierung des Bösen“. #Beckmann ist nicht die Inszenierung des Bösen, sondern Vortäuschung persönlicher Betroffenheit. Die Simulation einer Reportage.

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