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Medien: Rent-a-Goethe

ZDF-Film rechnet mit dem Genie-Rummel ab

So ein Universalgenie ist eine echte Allzweckwaffe: „Wir machen alles, vom Kindergeburtstag bis zum Landtagswahlkampf“, preist die Dame von der EventAgentur „Rent-a-Goethe“ ihren Service an. Die Weimarer Presse ist begeistert: „Unfassbar: Dichterfürst spaziert durch die Stadt.“ Das Pfund der Agentur ist ein Goethe-Double. Allerdings sind die Agentur und all die öffentlichen Auftritte des Doubles in Wahrheit eine Inszenierung des Dokumentarfilmers Thomas Frickel inmitten des Goethe-Rummels anno 1999. „Alles ist nur noch ein Feuerwerk und Spektakel“, kritisiert Frickel, und sein Film „Goethe light“ ist eine intelligente und zugleich vergnügliche Abrechnung mit dem kommerziellen Kulturbetrieb.

Frickel schickt ein beruflich wenig erfolgreiches Paar ins Rennen, das einen älteren Herrn aufgabelt, offenbar einen Flüchtling aus Bulgarien. Der Mann heißt im wirklichen Leben Christo Aprilov und ist ein pensionierter Bau-Ingenieur aus Sofia. Sehr würdevoll und durchaus erfolgreich schreitet Aprilov nun als schweigsames Double durch Weimar, Frankfurt und all die anderen Jubel-Orte des 250. Goethe-Geburtstags. Er beglückt Touristen, eröffnet Ausstellungen und wird an die Seite von Ministerpräsidenten (Bernhard Vogel) und Rocksängern (Udo Lindenberg) geschoben. Zwischendurch verspeist Goethe alias Aprilov Bratwürste, denn „das Banale und das Erhabene sind oft nicht weit voneinander entfernt“, bemerkt Frickel.

Cornelia Niemann und Erich Schaffner, die den falschen Goethe unter ihre Fittiche nahmen, spielen bewusst dilettantisch und Hessisch babbelnd („der Goethe kann net Deutsch“) ihre Rollen als ahnungslose Existenzgründer. Es klappt, mit ihrer Geschäftsidee rennen sie offene Türen ein. So wirkt die ausufernde Goethe-Vermarktung noch befremdlicher. Ob Dichterfürst oder Bratwurst, im Zweifel lässt sich alles zu Geld machen.

Der Film „Goethe light“ eröffnet eine vierteilige Reihe des „Kleinen Fernsehspiels“ mit dem Titel „Deutschland skurril“. An den kommenden Montagen geht es dann um bayerische Pilger („Das Wunder von Kaufbeuren“), friesische Bauern („Schnaps im Wasserkessel“) und schwäbische Staubsauger-Vertreter („Die Blume der Hausfrau“).tgr

„Goethe light“: 23 Uhr 55, ZDF

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