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Medien: Richtig gut drauf

Wer ist der Mann, der die ARD-„Sportschau“ auf die Beine stellen soll?

Von Markus Ehrenberg

und Joachim Huber

Die Sendung „Einwurf“ ist Pflicht für jeden Sportfan in Brandenburg. Immer Sonntagabends, im RBB-Brandenburg (früher ORB). Geschichten, Erfolge, Breitensport, Großveranstaltungen wie die Hengstparade in Neustadt/Dosse, das Turnfest in Cottbus und die Wahl zum „Verein der Woche" öffnen dem Brandenburger das Herz. Mit-Moderator und bislang verantwortlich für das Ganze ist Steffen Simon – der Mann, der ab sofort die wichtigste Sportsendung im deutschen Fernsehen koordinieren soll: die neue ARD-„Sportschau“.

Seit Mittwoch steht fest, dass es den gebürtigen Berliner aus dem beschaulichen Potsdam zur großen „Sportschau“-Zentrale nach Köln zum Westdeutschen Rundfunk zieht. Steffen Simon wird Redaktionsleiter der „Sportschau“, die nach wochenlangem Ringen für viel Geld (45 Millionen Euro) mit den Erstverwertungsrechten an der Fußball-Bundesliga komfortabel ausgestattet wurde. Schom am 1. August geht es mit der Liga los.

Souverän und schnörkellos

Wenig Zeit und viel Verantwortung für den 38-jährigen (verheiratet, ein Kind), der sich am Donnerstag noch nicht selbst zu der Personalie äußern wollte. Volontariat beim RIAS Berlin, Eishockeyreporter bei den Spielen des BFC Preußen, 1987 zum SFB-Hörfunk und N 3 („Sport 3“), ab 1992 Moderation des ARD-Länderreports „Punkt 5“, des Jugendmagazins „100 Grad“, der „Sportschau“ (ohne Bundesliga) – das ist die ziemlich unspektakuläre Biografie des Mannes, der nun die „Sportschau“ stemmen muss. Einem breiteren Publikum wird Simon im Jahr 2000 aufgefallen sein, als er – ziemlich souverän, aber recht schnörkellos – für fast ein Jahr Moderator und Kommentator bei Sat 1-„ran“ wurde. Im November 2000 ging er zum damaligen ORB, um die Sportredaktion Fernsehen zu leiten und „Einwurf“ zu präsentieren. Zudem moderierte er für die ARD Biathlon und Boxen, kommentierte Boxen.

Inwiefern befähigt das den hochgewachsenen Journalisten zur Leitung der hoch aktuell arbeitenden „Sportschau“? Jörg Wontorra, der Ex-Sat-1-Kollege, traut das Steffen Simon zu. „Wir haben bei unseren jeweiligen Spieleinsätzen ja nicht immer direkt miteinander zu tun gehabt, aber ich habe gehört, er sei sehr kollegial und privat soll er auch richtig gut drauf sein.“ Und immerhin komme Simon ja schon als Sportchef einer ARD-Anstalt nach Köln.

Steffen Simon werden drei Erfahrungen gut geschrieben: Er hat beim ORB bereits eine Sportredaktion geführt, er hat für „ran“, die Bundesliga-Show von Sat 1, gearbeitet, er kommentiert Spiele der Nationalmannschaft. ARD-Sportkoordinator Hagen Boßdorf meint, Simon „bringt für die Bundesliga-,Sportschau’ alles mit“. Waldemar Hartmann erinnert sich „an eine gut funktionierende Zusammenarbeit, ob bei den Länderspielen oder beim Boxen“. Jetzt, da der „Häuptling“ ernannt wird, sagen natürlich alle im weiten ARD-Rund, der beste Mann sei auf den richtigen Posten gesetzt worden.

Die Probleme, auch das betonen die ARD- Insider, können sich an dem Faktor entzünden, dass die neue „Sportschau“ eine ARD- Gemeinschaftsproduktion (wenn auch unter WDR-Federführung) ist. Die ARD ist ein föderatives Gebilde aus zehn Landesrundfunkanstalten, wo die Fliehkräfte oftmals größer sind als die Zentrifugalbewegungen. Nicht ohne Grund wurde jetzt eine eigenständige Bundesliga-Redaktion gebildet, eine kleine Welt in der großen ARD geschaffen. Dafür gibt es ein Vorbild, die Vorabend-Redaktion, die erfolgreich arbeitet.

Steffen Simon muss neben aller Konzeptarbeit und neben allen Produktionsabläufen den Teamgeist in seiner Redaktion wecken. „Da kommt ein Haufen selbstbewusster, wenn nicht selbstüberzeugter Leute zusammen“, sagt einer aus dem künftigen Team. „Da muss Simon seinen Mann stehen, auch gegen die Einflüsse von außen.“ Alle wissen, wie misstrauisch die „Auserwählten“ in der ARD beäugt werden. Zur gelernten „ARD- Denke“ gehört schließlich, dass ein Mitarbeiter einer regionalen ARD-Anstalt, der in eine Einrichtung der gesamten ARD delegiert wird, bei Knatsch mit seinem neuen Vorgesetzten gern zu seinem „einheimischen“ Fernsehdirektor und/oder Intendanten rennt und sich über seinen bösen ARD-Boss beschwert.

Jürgen Emig zum Beispiel, Sportchef des Hessischen Rundfunks, sauste schon zu seinem Intendanten Helmut Reitze, auf dass der ihn in die „Sportschau“ schiebe. Das wurde noch einmal verhindert. Vielleicht bekommt Steffen Simon auch Stress mit WDR-Sportchef Heribert Faßbender, der sich plötzlich wieder als „Mister Sportschau“ profilieren möchte. In seinem neuen Job muss Simon akzeptieren, dass Faßbender sein Vorgesetzter ist, außerdem das exquisite Duo Gerhard Delling/Reinhold Beckmann die Sendung präsentiert und dass Günter Netzer hin und wieder den Experten gibt.

Simon wird als Redaktionsleiter Büroarbeiter. Seine Kommentartätigkeit bei Biathlon und Boxen wird er aufgeben, die Länderspiele werden ihm als „Zuckerl“ bleiben. Vielleicht wird sich Simon an den stressigeren „Sportschau“-Tagen nach den guten, alten ORB/RBB-Zeiten zurücksehnen. Da gewann die „Einwurf“-Redaktion im Jahr 2000 die Auszeichnung „Silbernes Pferd“ – für die qualitativ hochwertige und informative Übertragung der Hengstparade.

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