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Riverboat: Drollig in der letzten Liga

Ex-ARD-Programmchef Struve debütiert als Talkmaster im MDR-"Riverboat". Haben die beim Sender denn da keine anderen, jüngeren – vor allem aber welche, die das könnten?

Als es zu Ende war, um Mitternacht, kam eine SMS eines befreundeten, renommierten Fernsehkritikers: „Struve war schon drollig.“ Drollig. Eine neue Kategorie in der Fernsehkritik? Das ultimative Urteil über einen Talkshow-Moderator? Der Ritterschlag für alte Männer, die sich erstmals vor die Kamera wagen?

Jedenfalls scheint es so, als sei Günter Struves Premiere als Gastgeber der MDR-Talkshow „Riverboat“ ein in gewissen Kreisen beachtenswertes Ereignis, und das liegt nur zum Teil auch daran, dass der Mann am Freitag, als die Sendung lief, seinen 69. Geburtstag feierte. Vor allem liegt es daran, dass Struve weiß, wie das Fernsehen funktioniert, ohne dass die Zuschauer das bislang gewusst hätten: Struve blieb stets im Hintergrund, er war von 1992 bis 2008 der Programmdirektor der ARD, heute arbeitet er in Los Angeles als Berater für das Verbindungsbüro von ARD, Telepool und Degeto, früher schrieb er Reden für Willy Brandt – muss so einer, der schon ein paar Karrieren hinter sich hat, unbedingt jetzt auch noch eine Talkshow moderieren? Haben die beim Sender denn da keine anderen, jüngeren – vor allem aber welche, die das könnten?

Am Freitag sagte Struve in einem Interview an dieser Stelle, gefragt, ob so mancher auf seinen Absturz hoffe: „Ich werde das wie ein Mann ertragen.“ Okay. Nur fair. Wir Fernsehkritiker haben schließlich auch ertragen, was er da abgeliefert hat. Aber vielleicht war mehr auch gar nicht möglich, bei den Gästen, die da Freitagabend zusammenhockten: Das war nicht einmal die zweite Liga, das war gar nichts. Gut, der Oscar-Gewinner Jochen Alexander Freydank war da, den trägt immer noch die Euphorie, aber was trug die anderen? Reiner Calmund funktioniert nur noch als eigene Karikatur, der „Komiker“ Hans-Werner Olm lebt seit Jahren mit dem Missverständnis, er sei lustig, Schauspieler Alexander Beyer gehört eigentlich in jeder Talkshow-Redaktion auf die Liste der Gäste, die man nie, nie, nie einladen darf, und Abi Ofraim hatte genug mit seinen Haaren zu tun. Das sind für einen wie Struve keine Gesprächspartner, im Tagespiegel-Interview sagte er: „Sie werden mir eine gewisse Lustlosigkeit meinerseits im Falle des Falles anmerken können.“ Das kann man wohl sagen. Genauer genommen hatte Struve so wenig Lust, dass er eigentlich mit jedem Gast über Köln sprach, was bei der Schauspielerin Tina Ruland noch leidlich hinhaute, die wohnt da schließlich, immerhin das weiß man jetzt von der. Ansonsten führte Struve das Stilmittel der Gästebeschimpfung ein, was dann wieder ein schöner Gegenpart war zu der devoten Haltung seiner Co-Moderatoren Mareile Höppner und Jan Hofer, bei denen man ständig das Gefühl hatte, sie würden sich im MDR live für ihre West-Herkunft schämen.

Struve schämt sich für nichts mehr, zeitweise dachte man, der sei eingeschlafen, einmal sagte er, er sei farbenblind: Das glauben wir sofort und wissen deshalb jetzt auch, warum in der ARD alle Shows im Farbton braun-orange gehalten sind. Aber sonst? Mein Güte, man soll ja nicht alles immer nur schlecht machen. Bei RTL lief die neue Show von Mario Barth, wenigstens das blieb mir erspart.

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