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RTL-Zweiteiler: Flut der Gefühle

Der RTL-Zweiteiler über die Hamburger Sturmflut von 1962 ist der teuerste Fernsehfilm, der je fürs Privatfernsehen gedreht wurde

Die Flut hat die Menschen im Schlaf überrascht. Die regungslos daliegende Frau ist tot, ertrunken im ersten Stock ihres Hauses, als in der Nacht zum 17. Februar 1962 in Hamburg die Dämme brachen. Noch kurz zuvor befand sich Nadja Uhl, die im RTL-Zweiteiler „Die Sturmflut“ die Krankenschwester Katja Döbbelin spielt, auf ihrem Polterabend – am Vorabend der Hochzeit mit dem aufstrebenden Oberarzt Markus Abt (Jan Josef Liefers). Ihre größte Sorge: Wie kann sie den Streit zwischen ihrem Verlobten und ihrer Jugendliebe Jürgen Urban (Benno Fürmann) schlichten? Doch nun zieht sie sich mit letzter Kraft durch das Fenster des umfluteten Hauses und blickt verstört auf die im Wasser liegende Frau. Verzweifelt sucht Katja nach irgendetwas, mit dem sie ihren Sohn Philip retten kann, der draußen gegen die Fluten ankämpft. Das Wasser, die Kälte – in dieser Nacht tobt ein Kampf um Leben und Tod, den 315 Menschen verlieren. Zugleich aber gibt es Hoffnung, weil Menschen über sich selbst hinauswachsen. Weil eine Welle der Solidarität dafür sorgt, dass die Flut nicht weit mehr Opfer fordert.

„Die Sturmflut“ ist alles andere als eine faktengespickte Dokumentation. Das Event-Movie, wie es bei RTL heißt, ist ein zutiefst bewegender Fernsehfilm im Kinoformat. Hier kämpfen große Gefühle vor dem Hintergrund einer der größten Naturkatastrophen in Deutschland.

Der Film beginnt im Hamburger Seewetteramt, am Vorabend der Dammbrüche. Noch ahnt niemand, dass das über die Nordsee peitschende Tief „Vincinette“ nicht nur die sturmgewohnte Küste, sondern auch die weniger geschützten Elborte bedroht. Nur die Meteorologin Susanne Lenz (Natalia Wörner) sieht die Gefahr heraufziehen. Doch sie kann sich nicht gegen ihren Vorgesetzten durchsetzen. Sie fliegt auf eine Bohrinsel in der Nordsee, wo sie zusammen mit Alexander Claussen (Heiner Lauterbach) nach Beweisen für ihre Befürchtungen sucht – und dabei selbst in schwere See gerät.

Zu dieser Zeit war aus dem Sturmtief, das sich über dem Nordpolarmeer gebildet hat, längst ein Orkan geworden. Doch noch hoffte man darauf, dass die Flut nicht in die Elbmündung drücken würde. Bis es zu spät war, die Menschen zu warnen. Am schlimmsten trifft es Hamburg-Wilhelmsburg mit seinen 80 000 Einwohnern – darunter viele Ausgebombte und Weltkriegsflüchtlinge, die in Behelfsheimen und den Schreberkolonien der Elbinsel leben.

An Nadja Uhlmann in der Rolle der Katja Döbbelin zerren indes ganz andere Kräfte als die bloßen Naturgewalten. Will sie die gute Partie, die ihre Mutter in Oberarzt Abt sieht? Oder soll Katja ihrem Herzen folgen, das für Jürgen schlägt, nachdem er nach Jahren auf der See nun wieder in ihr Leben tritt? Die „Sturmflut“ soll nicht nur Wassermassen, sondern vor allem die Emotionen des RTL-Publikums bewegen. Eine Frau zwischen zwei Männern, diesen Kunstgriff hat Teamworx-Produzent Nico Hofmann schon in der „Luftbrücke“ Ende 2005 eingesetzt (mit Bettina Zimmermann). Und auch im ZDF-Zweiteiler „Dresden“ (Felicitas Woll) Anfang März schafft diese Dreieckskonstellation die emotionale Spannung.

„Die Sturmflut“ – das ist die finanziell aufwendigste Produktion, die sich ein deutscher Privatsender je geleistet hat (siehe Kasten). Immerhin erhofft sich der Sender davon acht Millionen Zuschauer. Sicher ist: Die Besetzung sucht ihresgleichen, bis hinein in die Nebenrollen mit Götz George, Bettina Zimmermann, Michael Degen und Elmar Wepper. Autor Holger Karsten Schmidt und Regisseur Jorgo Papavassiliou haben ein Handlungsgeflecht entwickelt, das den großen Namen gerecht wird. Der Film zeichnet zugleich eine Miniatur der Bundesrepublik jener 60er Jahre, einschließlich hanseatischem Standesdünkel und dem Generationenkonflikt zwischen Katjas gestrengem Vater und ihrem Rock’n’Roll-spielenden Bruder Stefan (Gil Ofarim).

Kaum mehr als eine Nebenrolle entfällt dabei auf Helmut Schmidt, den Hamburger Innensenator und unkonventionellen Manager der Katastrophe. Im RTL-Film wird der Ex-Oberleutnant von Christian Berkel („Das Experiment“) dargestellt. Dennoch wird klar, wie es ohne Schmidt hätte enden können. „Wenn sie über einen konstruktiven Vorschlag stolpern, teilen sie es uns mit“, fertigt Schmidt Kritiker kurzerhand ab, die gegen den Einsatz von Bundeswehr und der „Fliegenden Engel“ der Nato protestieren. Doch das ist nur eine Randnotiz. Dem Film ist ein anderes Happy End wichtiger. Welches, das wird nicht verraten.

„Die Sturmflut“; RTL, Sonntag und Montag, 20 Uhr 15

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