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Russische Medien in Deutschland: Zwischen allen Lagern

Die Ukraine-Frage spaltet das russischsprachige Berlin. Wie die russischen Medien in Deutschland den Ukraine-Konflikt behandeln.

Die Ukraine hat gewählt. Ob sich die Lage im Osten Europas damit endlich beruhigt, fragen sich derzeit auch die rund 170 000 Einwanderer aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion, die in Berlin leben sollen – genau kennt ihre Zahl niemand. Ihnen geht der Ukraine-Konflikt besonders nahe. „Das komplette russischsprachige Berlin hat sich aufgeteilt in einen Maidan und einen Anti-Maidan“, konstatiert der in Berlin lebende ukrainische Schriftsteller Wladimir Sergijenko. „Manchmal verläuft die Grenze innerhalb einer Familie.“

Sergijenkos Befund ist Teil eines Interviews, das die jüdisch-russische Zeitung „Jewrejskaja Gaseta“ in ihrer Mai-Ausgabe druckt. Das Blatt erscheint monatlich in einer Auflage von rund 20 000 Exemplaren, und wer das aktuelle Heft liest, bekommt den Eindruck, dass die von Sergijenko beschriebene Meinungskluft auch quer durch die Redaktion verläuft – auf den 32 Seiten der Zeitung sind äußerst heterogene Ansichten zur Ukraine-Krise versammelt. Ein in Israel lebender Historiker schreibt dort etwa, dass das neue Kiewer Regime entgegen den Unterstellungen der Kreml-Propaganda nicht antisemitisch geprägt sei. Ein paar Seiten weiter wird demselben Regime Inkompetenz in allen Bereichen vorgeworfen; der Autor der Anschuldigungen ist der Ukrainer Renat Kusmin, zu dem leider der Hinweis fehlt, dass er am Sonntag selbst für das Präsidentenamt kandidierte. Direkt unter Kusmins Beitrag erklärt wiederum ein ehemaliger Bewohner der Krim, warum sich die Halbinsel nie der Ukraine zugehörig gefühlt habe. Gefolgt von der ganzseitigen Übersetzung eines Meinungsbeitrags aus der „Zeit“, der die geteilte Haltung der Deutschen zur Ukraine-Krise auf den zersetzenden Einfluss des Kremls zurückführt („Wie Putin die Deutschen spaltet“).

Mitunter sind Texte zur Ukraine spärlich gesät

Die „Jewrejskaja Gaseta“, die zum Berliner Medienkonzern des russischstämmigen Unternehmers Nicholas Werner gehört, wird von politisch interessierten Intellektuellen gelesen. Wohl auch deshalb kann sie ihren Lesern eine derart widersprüchliche Berichterstattung zumuten. Das im selben Verlag erscheinende Wochenmagazin „Jewropa Express“ ist da zurückhaltender: Die Ukraine-Krise spielt aktuell nur eine untergeordnete Rolle, ein paar nachrichtlich gehaltene Kurzmeldungen fassen die Ereignisse zusammen. Position bezieht nur ein längerer Beitrag über die Krimtataren, der sich klar auf die Seite der ethnischen Minderheit stellt und ihre Furcht vor Repressionen unter dem neuen russischen Regime teilt.

So gut wie gar kein Thema ist die Ukraine-Krise beim Radiosender „Russkij Berlin“, der auf der Frequenz 97,2 seit 2003 vorwiegend russische Musik sendet, allenfalls unterbrochen von Wortbeiträgen und Talkshows, die sich überwiegend Lifestylethemen widmen. Allein in den stündlichen Nachrichtenblöcken wird knapp und wertungsfrei über die Ukraine berichtet.

„Radio Russkij Berlin“ wird von den russischstämmigen Brüdern Dmitri und Boris Feldman betrieben, in deren Verlag auch die russischsprachige Wochenzeitung „Russkaja Germanija“ und ihre Regionalausgabe „Russkij Berlin“ erscheinen, mit einer Gesamtauflage von 70 000 Exemplaren.

In den spärlich gesäten Texten zur Ukraine neigt deren aktuelle Nummer eher zu westlichen als zu russischen Positionen, bemüht sich aber merklich um Zurückhaltung, im Umfang wie im Ton. Warum das so ist, mag ein Beitrag der Leserbrief-Redakteurin Vera Maerzke erklären: Die Redaktion, schreibt Maerzke, erhalte derzeit verstärkt Zuschriften und Anrufe, in denen dem Blatt ständig vorgeworfen werde, für die falsche Seite Partei zu ergreifen – und zwar gleichermaßen lautstark von der einen wie von der anderen Fraktion unter den russischsprachigen Einwanderern in Berlin.

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