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Medien: Sarg- und Lachgeschichten

Im Test: Die Bestatterin Editha Hahn kommentiert die Kult-Serie „Six Feet Under - Gestorben wird immer“

Die Bestatterin Editha Hahn sitzt in ihrem Wohnzimmer und schaut sich eine Folge der amerikanischen Serie „Six Feet Under – Gestorben wird immer“ an. Weil sie muss. Weil wir sie darum gebeten haben. Weil wir testen wollen, wie wirklichkeitstreu die Serie ist. Arbeiten Bestatter, zumindest in Deutschland, ähnlich wie ihre fiktiven Vertreter aus Hollywood? Editha Hahn von „Hahn Bestattungen“ betreibt in Berlin acht Bestattungsinstitute. Sie muss es wissen, dachten wir uns.

„Six Feet Under“ geht bei Vox in die zweite Staffel. In der Serie geht es hauptsächlich um die großen und kleinen Dramen der Familie Fisher, der das Bestattungsinstitut „Fisher & Söhne“ gehört.

Auf ihrem Fernseher verfolgt Editha Hahn, wie zwei der Hauptfiguren – David Fisher und Federico Diaz – das Beratungsgespräch mit den Hinterbliebenen führen. „So, wie die arbeiten, wäre das Unternehmen schnell pleite“, kritisiert sie. „Die zeigen überhaupt kein Herz und nehmen nicht Anteil – so etwas würde sich doch schnell herumsprechen.“

In der ersten Folge der zweiten Staffel stirbt eine junge Schauspielerin, und zwei Freunde von ihr beauftragen das Bestattungsinstitut der Fishers, die Trauerfeier zu organisieren. Wer wird bezahlen? Hahn beschwert sich, als ihr Hollywood-Kollege David Fisher unverblümt danach fragt. „Nach der Finanzierung fragt man erst am Schluss“, sagt sie. Und dann kommt es noch schlimmer: David Fishers Handy klingelt. „Ein Handy muss man immer ausschalten, wenn man mit den Kunden spricht.“ So viel Respekt müsse nun einmal sein. Überhaupt habe der Fernseh-Bestatter vollkommen unbeteiligt gewirkt bei diesem sehr kurzen Beratungsgespräch.

Dennoch: Die Serie ist ein Glücksfall für Vox. Der Sender bewertet die Einschaltquoten als Erfolg: Rund 890 000 Zuschauer schauen der anspruchsvollen und schwarzhumorigen Leichenfledderei zu. Dienstagabend ist „Six-Feet-Under“-Zeit. Die Serie hat fast schon ähnlichen Kult-Charakter wie „Sex and the City“. Vox hat sich gleich für die nächsten Staffeln die Ausstrahlungsrechte gesichert, in den USA läuft die vierte Fortsetzung der preisgekrönten Produktion.

Und ist das nicht wunderbar geschmackvoll: eine Urne in Delfinform! Die Kunden lehnen dankend ab, der Fernseh-Bestatter hat sich geirrt. „Da merkt man, dass sie sich nicht mit den Angehörigen unterhalten haben. Sonst hätten sie gewusst, dass die Hinterbliebenen das nicht haben wollen.“ Editha Hahn selbst unterhält sich mindestens zwei Stunden lang mit ihren Kunden.

Einen Aspekt hingegen lobt Hahn beim fiktiven Verkaufsgespräch: Weil die Verstorbene „totale Angst im Dunkeln“ hatte, schlägt ihnen Federico Diaz eine Trauerfeier mit offenem Sarg vor. Danach würde sie eingeäschert. „Das macht er gut“, kommentiert die 53-Jährige. Auch sie rät ihren Kunden zu offenen Särgen – die Stimmung bei der Beerdigung sei dann viel intensiver. Etwa ein Drittel ihrer Beerdigungen würden bereits so durchgeführt. Eine kleine Stilberatung fügt sie jedoch noch an: Bei ihr dürfte der junge Bestatter nicht im Hemd dasitzen, eine Weste müsse schon sein, sagt sie.

Und diese „Country-Style-Stimmung“ im Besprechungsraum! Diese Wohnzimmeratmosphäre mit gemütlichen Sofas wäre für Editha Hahn eher unpraktisch: Formulare müssen geschrieben, Ordner durchgeblättert und hin- und hergereicht werden. „Ich muss ja immer etwas bei den Gesprächen aufschreiben“, sagt sie, „da würde es stören, keinen richtigen Schreibtisch zu haben.“ Und Sofas, in denen man regelrecht versinkt, wären da auch eher ungeeignet. Da sei das Büroambiente wie in ihren Filialen schon praktischer, findet sie. „Wenn jemand zugeknöpft und steif ist, bekommt er auch mit Sesseln keine gute Atmosphäre hin.“

Hahn lobt mehrfach die „ganz tollen Schauspieler“, sie lobt, dass die Serie „spannend gemacht“ sei, und sie lobt die „tollen Aufnahmen“. Das Bild des Bestatters hingegen würde die Serie verzerren. „Der Beruf ist in der Serie irgendwie nur Staffage“, findet sie. „Für das Leben der Charaktere spielt es doch eigentlich keine Rolle, dass sie Bestatter sind.“ Und um deren Privatleben gehe es doch hauptsächlich in der Serie. Editha Hahn denkt nach. „Dann ist Bestatter wohl doch noch kein ganz normaler Beruf, wenn darüber eine Serie gedreht wird.“ Über eine Bäckerfamilie eine Serie zu drehen, wäre ja auch zu langweilig.

Kurzer Rückblick auf die erste Staffel: Die große Firma „Kroehner Service International“ wollte das kleine Bestattungsinstitut „Fisher & Söhne“ aufkaufen. Auch fernab jeglicher Fiktion gibt es solche Firmen, die ihre Ketten immer weiter ausbauen. „Die großen Bestattungsunternehmen machen den kleinen Familienbetrieben das Leben schwer.“ Familienbetriebe indes seien beweglicher und könnten Dinge schneller anregen als solche Bestattungsketten, sagt Hahn.

Ein Merkmal der Serie ist der offene Umgang damit, wie Leichen gezeigt werden. Im Keller der Fishers werden sie aufbewahrt, und Federico Diaz kümmert sich dort um die Verstorbenen, schminkt sie, verdeckt Wunden, so dass der Leichnam in einem offenen Sarg aufgebahrt werden kann. Dieser Beruf nennt sich Thanatologie – bislang hatte Editha Hahn solch einen Einbalsamierer noch nicht hinzuziehen müssen. „Das ist bestimmt ein schwieriger Beruf“, sagt sie. „Ich selbst würde so etwas nicht machen wollen.“ Im Berliner Umland gibt es lediglich einen Thanatologen, in katholischen Gebieten hingegen ist dieser Beruf verbreiteter.

„Der Zuschauer hat durch ‚Six Feet Under’ das Gefühl, über Bestatter informiert zu sein", sagt Editha Hahn. „Er sieht, dass das ganz normale Menschen sind. Andererseits ist die Serie vielleicht doch keine gute Werbung für meinen Beruf: So wie dort sollten Bestatter nun wirklich nicht mit den Angehörigen umgehen.“

„Six Feet Under“, Vox, 22 Uhr 15

Till Frommann

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