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Sat1-Nachrichten: News für die bürgerliche Frau

Sat1 verlegt seine Nachrichten auf die "Tagesschau"-Zeit um 20 Uhr. Das hat verschiedene Gründe.

Die „Tagesschau“ um 20 Uhr, das ist die Institution, die Zentralachse im deutschen Fernsehen. Die zuschauerstärkste Nachrichtensendung setzt die Maßstäbe: Vorher ist Vorabend, um 20 Uhr 15 beginnt das Abendprogramm der Sender. Alle Versuche, konkurrierende News gegen die „Tagesschau“ zu setzen oder die Prime Time anders als mit dem Ende der „Tagesschau“ zu eröffnen, sind bislang gescheitert. Ab kommenden Montag rüttelt Sat 1, im Gesamtpublikum die Nummer vier nach ARD, ZDF und RTL, an den Konstanten. Die „Sat 1 Nachrichten“ werden von jetzt 18 Uhr 30 auf 20 Uhr verschoben. Wie die „Tagesschau“ wird die Informationsleistung des Berliner Privatsenders 15 Minuten in Anspruch nehmen.

Der Schritt hat zwei Beweggründe, wie die Sat-1-Spitze am Dienstagabend erklärte. Laut Geschäftsführer Torsten Rossmann sind die Nachrichten um 18 Uhr 30 und das folgende Boulevard-Magazin „Stopper im Zuschauerfluss“. Die bis 18 Uhr 30 aufgebauten Marktanteile beim werberelevanten Publikum (9,2 Prozent im Februar) sinken um bis zu zwei Prozent, sobald die Information kommt. Ein kleiner Sender hätte die Nachrichten dann auf 17 Uhr verrückt, ein großer geht aufs Ganze: das Magazin um 19 Uhr 30, News um 20 Uhr.

Mut? Mut der Verzweiflung? Mit der Rochade verbindet Sat 1 vordringlich das Ziel, den Zuschauererfolg im Gesamtprogramm (elf Prozent Marktanteil im Februar) auch am Vorabend zu erreichen. Entsprechend werden nach Ankündigung von Matthias Alberti, der Vorsitzende der Sat-1-Geschäftsführung, vom 17. März an zwischen 18 Uhr 30 und 19 Uhr 30 Doppelfolgen der Ermittler-Doku „K 11“ eingesetzt, ehe Ende August um 19 Uhr die neue Telenovela „In Liebe Lena“ mit Jeanette Biedermann startet.

„Lenßen & Partner“, „Niedrig und Kuhnt“, „K 11“, mit diesem ergreifend schlichten und erstaunlich erfolgreichen Format zeigt Sat 1 an, was Vorabend im werbefinanzierten Programm sein soll – eine Geldbeschaffungsmaßnahme.

„Sat 1 Nachrichten“ um 20 Uhr, das könnte die Variation der „Tagesschau“ nach privater Maßgabe sein. Statt auf Sprecher wie im Ersten wird auf den „Anchor“ Peter Limbourg gesetzt. Der 47-jährige Journalist, Chefredakteur des zum ProSiebenSat1-Konzern gehörenden Newskanals N 24, bietet an: die Glaubwürdigkeit der grauen Schläfen, die Kompetenz vieler Jahre innenpolitischer Berichterstattung, die Gewissheit, dass er als Redaktionsleiter ernstzunehmende Information liefert. Nachrichten müssen „verständlich“ sein, sagte Limbourg.

Der Vergleich mit der „Tagesschau“ wird kommen, keineswegs ausgemacht ist, dass die Sat-1-Zuschauer von 18 Uhr 30 auf 20 Uhr mitgehen und nicht zum ARD-Produkt wechseln. Die „Tagesschau“ holte im Februar in der Gruppe der 14- bis 49-Jährigen 9,6 Prozent Marktanteil, die „Sat 1 Nachrichten“ 9,3 Prozent. Das Sat-1-Publikum muss sich künftig mit Informationen morgens um zehn und dann wieder um 20 Uhr begnügen. Wenig ausgegoren scheint die Idee, dass die „Sat 1 Nachrichten“ am Samstag und am Sonntag auf den alten Sendeplatz um 18 Uhr 30 zurückspringen.

„Mehr“, mit diesem Prädikat umreißen Rossmann und Alberti das künftige Programm und die Ansprache an die Zielgruppe der „bürgerlichen Mitte“, fixiert vor allem im weiblichen Publikum zwischen 30 und 49 Jahren. Mehr Wärme, mehr Zuschauernähe, mehr Qualität, mehr Rot im Markenauftritt, der auf runde Formen abgeschliffen wird. Männlich wird der Sender beim Fußball mit Uefa-Cup und Champions League. Weitere Engagements will Sat-1-Chef Alberti immer von ihrer Refinanzierbarkeit abhängig machen.

Bei zahlreichen Projekten denkt der Sender klassisch. Anke Engelke wird zu ihrem quotenbringenden „Ladykracher“Format zurückkehren, Bastian Pastewka setzt „Pastewka“ fort. Was sich in den wenigen Ausschnitten bei Präsentation witzig ansah: „Gräfin gesucht“ – die RTL-Dokusoap „Bauer sucht Frau“ grüßt von Ferne. Serienprojekte wie „Dr. med. Molly“ oder „Charité“ (beides Arbeitstitel) lassen an US-Vorbilder wie „Grey’s Anatomy“ denken. Der diesjährige Event-Zweiteiler heißt „Wir sind das Volk – Liebe kennt keine Grenzen“ und schildert mit Anja Kling und Hans-Werner Meyer in den Hauptrollen die „ganz persönliche Wende einer getrennten Familie und die letzten Monate der DDR“. Gefühle pur, Drama pur. Die Sat-1-Mitarbeiter wirkten sehr emotionalisiert.

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