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Medien: Schatz, ich hab die Insel geschrumpft

Eine ERREGUNG von Joachim Huber

Robert Stevenson kann sich nicht wehren. Der Autor ist mausetot, sein Abenteuerroman „Die Schatzinsel“ 1883 erschienen. Da gibt es keine Urheberrechte mehr zu wahren, da kann sich jeder bedienen. Der Fernsehsender ProSieben hat sich bedient und den Stevenson-Klassiker übel zugerichtet. Nicht nur, dass sich Ben Gunn in einen gemeinen Burschen verwandelt hat, dem legendären Piratenkapitän Flint wird eine verwaiste Tochter angedichtet, damit das weibliche Element erotische Verwirrung stiften kann. Und wehe, der Zweiteiler kommt in die Gefahr, dass nichts passiert! Also passiert dauernd etwas. Über der „Schatzinsel“ liegt der „Fluch der Karibik“.

Zwei Bitten: Die Redakteure in München lassen ab sofort die Finger von den Klassikern der Jugendliteratur. Kein „Moby Dick“ beim Privatsender, die können dort nur Käpt’n Iglo. Keine Neuverfilmung von „Tom Saywer und Huckleberry Finn“, das endet als Fernseh-Game für das angeblich nervöse, nur durch Daueranimation zu fesselnde Publikum.

ProSieben versteht sich als Sender für die „junge Mediengeneration“, für Menschen jünger als 49, am besten jünger als 29. Aus dieser Vorstellung heraus machen die Redakteure schon auch das Richtige: Sie bringen, zum Beispiel, die hervorragende US-Serie „Lost“ ins Programm. Das ist brillantes Fernsehen, das selbst übelwollende, also ältere Zuschauer nicht an „Robinson Crusoe“, Daniel Dafoes Roman von 1719 und seine ZDF-Verfilmung von 1964 erinnert. Es ist der gleiche Stoff, aber die Interpretation der Robinsonade in der US-Serie ist heutig, in sich überzeugend. Keiner denkt da an ein misslungenes Remake.

„Lost“ ist Lizenzware, „Die Schatzinsel“ eine Eigenproduktion. Da muss Panik ausbrechen, wenn ProSieben gerade „Die Brücke“ von Bernhard Wicki nach dem autobiografischen Roman von Gregor Dorfmeister neu verfilmt hat. Bisher ist die Schwarz-Weiß-Produktion der beste deutsche Antikriegsfilm.

Um Irrtümer auszuschließen: Für „Die Schatzinsel“ wurde 1966 nicht das letzte Filmwort gesprochen, für „Die Brücke“ nicht 1958. Und doch fordern die Vorlagen von jeder Neuverfilmung Respekt ein. Buntfernsehen, große Etats, selbst neue Frauenrollen sind kein Argument.

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