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Schlechte Beziehung: Journalisten und Politiker vertrauen sich nicht

Es sieht nicht gut aus in der Beziehung zwischen Hauptstadtjournalisten und Bundestagsabgeordneten. Zwar stecken sie Kopf an Kopf unter der "Käseglocke" im Berliner Regierungsviertel, doch keiner traut hier dem anderen über den Weg.

Wenn es um Wählerstimmen geht, ist jedem zweiten Politiker jedes Mittel recht, glauben Journalisten. Politiker sind sich sicher: Jedem zweiten Journalisten ist jedes Mittel recht, wenn es um Auflage oder Quote geht.

Dies zeigt eine Umfrage des Mainzer Medienwissenschaftlers Hans Mathias Kepplinger, die er am Mittwoch beim Medienseminar der Bundeszentrale für politische Bildung in Berlin vorstellte. Kepplinger hatte dafür im vergangenen Jahr 187 Bundestagsabgeordnete und 235 Journalisten in Berlin schriftlich befragt. Demnach misstrauen sich Politiker und Journalisten nicht nur. Sie wollen vor allem im Gebiet der jeweils anderen Seite mitmischen. Das gilt insbesondere für die Hauptstadtjournalisten. Auf einer Skala von 0 bis 10 gaben sie im Durchschnitt mit 5,47 Punkten an, wie stark Medien Einfluss auf den politischen Betrieb ausüben sollten. Den Ist-Zustand bewerteten die Korrespondenten allerdings mit durchschnittlich 7,04 von 10 Punkten. Damit nimmt ein großer Teil der Hauptstadtjournalisten offenbar an, dass sie bereits spürbar in das politische Geschehen eingreifen. Kepplingers Fazit: „Der Journalismus in Berlin ist selbstbewusst und aggressiv.“ Die Medienvertreter in Berlin würden deutlich offensiver in der Politik mitregieren wollen, als Politiker nach Wegen suchten, ihre Macht in den Medien geltend zu machen.

Nach Kepplingers Ergebnissen greifen Medien vor allem über die Skandalisierung einzelner Personen in das Geschehen ein. Jüngstes Beispiel sei Kurt Beck, über den permanent so negativ berichtet worden sei, bis er keine andere Chance gehabt hätte, das Amt als SPD-Parteivorsitzender abzugeben. Ebenso würden Journalisten versuchen, Themen auf die politische Agenda zu setzen. Dies sei ihnen beispielsweise bei der Forderung nach dem Ausstieg aus der Kernenergie gelungen.

Zwar seien Medien als Kontrollfunktion für die Demokratie unerlässlich, sagte Kepplinger, doch gerade aus demokratischer Sicht sei ihre Einflussnahme auf die Politik sehr problematisch. „Im Gegensatz zu den Politikern haben sie keine demokratische Legitimation durch die Gesamtheit der Wähler, sondern nur durch ihr Publikum“, sagte der Kommunikationsforscher. Würden durch die Entscheidungen unbeabsichtigt negative Folgen entstehen, müssten die Medienvertreter im Gegensatz zu den Politikern nicht dafür einstehen, sondern würden sogar als Erste die Entscheidung kritisieren.

Kepplinger ist überzeugt, dass die Macht der Medien künftig weiter zunehmen wird. Während sich Politiker früher oft auf Großveranstaltungen direkt ans Volk richten konnten, müssen sie heute zahlreiche Plattformen bedienen. „Prestige genießen heute nur die Politiker, die in den Medien präsent sind“, sagte Kepplinger. Gleichzeitig nehme das politische Interesse der Menschen ab. Deshalb würden Politiker vor allem durch unpolitische Themen punkten wollen, Symbolik zähle mehr als Substanz. Aktuelles Beispiel sei der neue Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der glänzend rüberkomme, obwohl er inhaltlich viel weniger sage als sein Vorgänger Michael Glos.

Doch auch Politiker wollen auf Medien einwirken – das zeigt nicht nur die Debatte um die Verlängerung des Vertrags von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender. Ohne sich zu dem Fall weiter äußern zu wollen, hat Kepplinger beobachtet, dass Politiker versuchen, über die Personalpolitik in Medienhäusern das Programm mitzugestalten, in der Hoffnung, dass ihrer Partei nahestehende Journalisten wohlwollender über sie berichten. Teilweise üben Politiker auch direkt auf Journalisten Druck aus, wie eine frühere Umfrage Kepplingers zeigt. 28 Prozent von 230 Hauptstadtjournalisten bekamen dies zu spüren. Besonders Tageszeitungsjournalisten fühlen sich unter Druck gesetzt. 51 Prozent von ihnen gaben an, Politiker hätten sich bei ihren leitenden Redakteuren gemeldet, um eine Berichterstattung zu lenken oder gar zu stoppen. Beim Fernsehen beklagten dies 48 Prozent, beim Radio 17 Prozent.

Wohl auch ein Beweis dafür, dass Tageszeitungen von Politikern weiterhin als besonders wichtig angesehen werden. Kein Wunder, bekommen sie im Fernsehen doch immer weniger Platz, fand Kepplinger heraus. 1983 seien Statements von Politikern in Fernsehbeiträgen durchschnittlich noch 30 Sekunden lang gewesen, heute seien es nur noch 15 Sekunden.

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