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Wo ist Ihr Kind? Wegemann (Nadja Uhl) und Krug (Misel Maticevic) ermitteln.

© BR

Schockierender TV-Krimi: Die Ware Kind

Kinderhandel, sexuelle Ausbeutung: Nadja Uhl ermittelt im ARD-Krimi „Operation Zucker - Jagdgesellschaft“ erneut als Polizistin Karin Wegemann.

Ein Mann streichelt einem Jungen in einer Kneipe die Wange, umarmt ihn liebevoll. Dann sind beide plötzlich verschwunden. Die Polizistin Karin Wegemann (Nadja Uhl) ahnt Böses, schaut auf der Toilette nach, reißt den Mann von dem Jungen weg. Doch der Schein trog: Das blinde Kind ruft nach seinem Vater. Wegemann wirkt gehetzt, ihre impulsive Reaktion soll dem Publikum paranoid vorkommen. Für den Rest des Films gilt das Gegenteil. In „Operation Zucker: Jagdgesellschaft“ bestätigen sich ihre schlimmsten Befürchtungen immer.

Nadja Uhl verkörpert bereits das zweite Mal eindrucksvoll die Kämpferin gegen Kinderhandel und sexuelle Ausbeutung. Vor drei Jahren hatten mehr als sechs Millionen Zuschauer in der ARD gesehen, wie die Berliner LKA-Beamtin Wegemann gegen einen Kinderhändlerring ermittelte, aber das aus Rumänien entführte Mädchen Fee nicht retten konnte. Für die Ausstrahlung vor 22 Uhr musste die ARD das hoffnungslose Ende von „Operation Zucker“ aus Jugendschutzgründen herausschneiden. Von der Fortsetzung gibt es diesmal nur eine Fassung, doch die ist kaum weniger schockierend. Kinder und Jugendliche sollte man mit diesem Film nicht allein lassen. Und auch Erwachsene dürften Redebedarf haben, insofern ist es angemessen, dass das Thema anschließend bei „Maischberger“ behandelt wird. Zu Gast sind unter anderem Johannes-Wilhelm Rörig, Bundesbeauftragter zu Fragen des Kindesmissbrauchs, und „Spiegel“-Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen.

Mit Kinderhandel werden Millionen verdient

Wegemann ist nicht mehr LKA-Beamtin, sondern bewirbt sich erfolgreich auf eine Stelle bei der Polizei in Potsdam. Ein Journalist hatte ihr gesteckt, dass dort „Hunderte von Ermittlungen“ verschleppt würden. In Brandenburg muss sie mit dem Kollegen Ronald Krug (Misel Maticevic) zusammenarbeiten, der einige Vorbehalte hat gegen die „Hauptstadtziege“. Ihre Reibereien ermöglichen es den Autoren Friedrich Ani und Ina Jung, wie in einem klassischen Krimi Informationen zum Thema unterzubringen. „50, manche sagen 100 Millionen“ Euro würden in Deutschland mit Kinderhandel umgesetzt, heißt es. Und: Die Täter seien keineswegs Pädophile, sondern „Ersatzhandlungs-Täter“ – Menschen, die Lust an der Macht über wehrlose Kinder haben.

Jedenfalls sind die Täter wieder in den besseren Kreisen zu finden, und die Spannung des Films macht nicht zuletzt die Frage aus, wem überhaupt zu trauen ist. Kein Zweifel lässt das Drehbuch daran, dass Bau-Unternehmer Voss (Sebastian Hülk) und seine Frau Helen (Jördis Triebel) die beiden Mädchen Lucy (Carlotta von Falkenhayn) und Laura (Mathilde Bundschuh) Männern zur Verfügung stellen. Die schockierende Irritation besteht in dem Kontrast des scheinbar gut situierten Familienlebens und der routinierten Abwicklung des Geschäfts.

Was im Wald oder auf Partys geschieht, wird nicht explizit gezeigt. Dennoch erscheint manches grenzwertig: Zum Beispiel eine Szene, in der ein Junge mit halb nacktem Oberkörper von einem Mann an der Leine über den Waldboden geschleift wird. Regisseurin Sherry Hormann geht bis zum gerade noch Erträglichen. Das Szenario des Films wirkt so ungeheuerlich, dass man sich weigern möchte, es für wahr zu halten. Aber Ani und Jung betonen, ihr Drehbuch beruhe auf Fakten. Die Opfer „ritualisierter Gewalt“ würden bewusst dafür gezeugt, vom Babyalter an programmiert oder so früh wie möglich konditioniert. „Die haben denen die Angst wie einen Chip implantiert“, lautet ein Satz aus dem Film. Das klingt – bei aller Sympathie für die aufrüttelnde Absicht – diffus, nach Verschwörungstheorie. Nun müssen Fakten her. Thomas Gehringer

„Operation Zucker: Jagdgesellschaft“; 20 Uhr 15; „Maischberger“; 21 Uhr 45, ARD, 20. Januar

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