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Schulden-Doku: Privat insolvent

Zwei Filme über Menschen in der Schuldenfalle.

Sebastian (22) hat einen festen Job, aber am Wochenende hilft er seiner Mutter in der Gaststätte im Wendland. Vor zwei Jahren war der Vater spurlos verschwunden, wegen finanzieller Sorgen „in die Elbe gegangen“, wie vermutet wird. Nun wird der Betrieb, der seit über 100 Jahren im Familienbesitz ist, zwangsversteigert. Den Zuschlag zur Hälfte des Schätzwertes bekommt: Sebastian. Der hat die Finanzierung zwar noch nicht stehen, aber die Familientradition soll unbedingt fortgeführt werden.

Einer von mehr als drei Millionen Fällen in Deutschland – so viele Privathaushalte gelten als überschuldet. Und trotz des offenbar einsetzenden Aufschwungs werfen Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise noch einen langen Schatten. Im ersten Halbjahr 2010 meldeten 69 500 Haushalte Insolvenz an, 13 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die privaten Pleiten haben unterschiedliche Gründe, sind aber häufig mit sozialen und familiären Problemen verbunden. Davon erzählen zwei leider nur bedingt sehenswerte Dokus in ARD und ZDF.

Neben Sebastians Geschichte berichten Anja Kretschmer und Walter Krieg in der heutigen „37 Grad“-Folge „Meine Eltern sind bankrott“ noch von einem zweiten Fall, in dem ein Kind die finanzielle Not der Eltern auffangen will. Stefanie hat eine Firma für Gartenbau gegründet und den überschuldeten Vater eingestellt. Dabei absolviert sie selbst gerade erst eine Banklehre. Wie das funktionieren kann, wird nicht erklärt. Das liegt nicht an sparsamem Kommentartext, denn davon gibt es mehr als genug. Da ist manches Überflüssige dabei, mal etwas plump („Säumige Großkunden hatten die gutgläubigen Eltern in den Bankrott getrieben“), mal unangemessen spekulativ („Da zählt für die Mutter der Gedanke kaum, die Zukunft der Kinder zu verspielen“). Bilder, die für sich sprechen, werden erläutert, manche Aussage wiederholt sich. Am Ende scheinen die Autoren keinen Schritt weiter zu sein, denn sie fragen Sebastian einfach erneut, ob er nicht daran gedacht habe, dass er sich selbst ruinieren könnte. Den Konflikten in den Familien wird der Film nicht gerecht.

Unter der Manie der Filmemacherin, alles noch einmal oder gar vorab aus dem Off zu erklären, was die Protagonisten selbst und viel überzeugender vor der Kamera sagen, leidet auch die ARD-Doku „Pleite – und jetzt?“. Allerdings erweitert Tina Sollmann den Horizont deutlich. Zumal die meisten ihre Privatinsolvenz und die sechsjährige „Wohlverhaltensphase“, in der jedes Einkommen über dem Existenzminimum zur Schuldentilgung einbehalten wird, bereits hinter sich haben. Wie zum Beispiel Anne Koark, die anfangs sogar fürchtete, dass man ihr die Kinder wegnehmen könne, und später mit ihrer persönlichen Geschichte Bestsellerautorin wurde. Nun ist nicht jeder schriftstellerisch begabt, doch der „soziale Ruin“, von dem die Autorin zu Recht spricht, wird in den anderen Fällen durchaus deutlich. Und ein ungewöhnliches Beispiel hat Tina Sollmann auch noch: von einem, der auszog, um in England Insolvenz anzumelden. Denn dort dauert die Entschuldung nur ein Jahr, und gleich am ersten Tag kann der Schuldner eine EC-Karte bekommen. Thomas Gehringer

„37 Grad: Meine Eltern sind bankrott“, ZDF, Dienstag, 22 Uhr 15

„Pleite – und jetzt?“, ARD, Mittwoch, 21 Uhr 45

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