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Scientology

© SWR

Scientology: Bis doch was bleibt

Strengste Geheimhaltung, Tarnname, Security: Ein ARD-Film über einen Scientology-Aussteiger.

Polizeiwagen, Einlass nur mit persönlicher Einladung, Mini-Demo mit Maskierten vor der Tür, drinnen eine proppevolle Halle, rund 500 Gäste in Stuhlreihen vor einem riesigen Bildschirm, drumherum patrouillierend Sicherheitsleute – am Mittwochabend bot sich dem Besucher des ARD-Hauptstadtstudios in Berlin Mitte ein beeindruckendes Bild. Anlass war die Vorab-Präsentation des SWR-Fernsehfilms „Bis nichts mehr bleibt“, der am 31.3. im Ersten ausgestrahlt werden soll und der das Schicksal eines jungen Familienvaters und Scientology-Aussteigers beschreibt, der Frau und Tochter an Scientology verliert.

Es handelt sich um das mutigste Projekt der jüngeren Fernsehgeschichte. Der Film basiert laut Vorspann auf einer wahren Geschichte ehemaliger Mitglieder von Scientology. Erstmals wird dieses heikle Thema in Deutschland zu einem fiktionalen Stoff verdichtet und die Organisation beim Namen genannt. SWR-Fernsehdirektor Bernhard Nellessen wies darauf hin, dass Scientology seit 13 Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Um die Produktion von „Bis nichts mehr bleibt“ wurde monatelang ein großes Geheimnis gemacht. Alle Beteiligten mussten sich vertraglich zu Stillschweigen verpflichten. Der Film wurde unter dem Tarnnamen „Der Tote im Sund“ gedreht. Es wurden keine DVDs vorab versendet.

Treibende Kraft war SWR-Fernsehfilmchef Carl Bergengruen – und die Nonstop-Rede von Tom Cruise, die der Hollywoodstar und bekennende Scientologe 2007 bei der Verleihung des Bambi, „Kategorie Mut“, gehalten hat. Von da an war Bergengruen, dem nach eigener Aussage als Student in den 80er Jahren von US-Scientologen die berühmten 100-Psycho-Fragen vorgelegt worden waren, laut eigener Aussage nicht mehr zu halten. Viel Applaus im ARD-Hauptstadtstudio. Auch für Team-Worx-Produzent Nico Hofmann, der daran erinnerte, wie aktiv Scientology gerade auch an Berliner Schulhöfen und Straßen unterwegs sei. Scientology soll geschätzt rund 5000 bis 6000 Mitglieder in Deutschland haben.

Mit einem Spielfilm, so Bergengruen, könne man mehr Menschen erreichen als mit Dokus. Die Botschaft ist klar. „Bis nichts mehr bleibt“ erzählt, mit welch’ raffinierten Methoden es der Organisation immer wieder gelingt, Menschen psychisch und materiell von sich abhängig zu machen und, wie in diesem Fall, sogar eine Familie zu zerreißen. Wissensberichte, Rehabilitationszentren, der hermetische Scientology-Sprech, das Verhältnis zu Kindern – bei aller Fassungslosigkeit über die Methoden und die Duldsamkeit der Anhänger ist das eine über weite Strecken bannende Studie (Buch und Regie: Niki Stein), getragen vom Darstellerensemble um Felix Klare und Silke Bodenbender. Während der 90-minütigen Präsentation bei der ARD konnte man jede Stecknadel fallen hören. Die Story lehnt sich weitestgehend an die Geschichte des Scientology-Aussteigers Heiner von Rönn an, der auch unter den Zuschauern war. Das Unbehagen war mit Händen zu greifen.

Nichts zu sehen vor Ort von Scientology. Nur eben die Mini-Demo von „Anonymous“, einer Gruppe von Scientology-Gegnern. Im Vorfeld war zu lesen, dass sich Scientology gegen den Aussteigerfilm wehren wolle. Die Organisation habe, so Bergengruen, permanent versucht, Details über das Projekt zu erfahren. Bislang galt der Stoff schon aus rechtlichen Gründen als unverfilmbar. Es schien nur eine Frage der Zeit, dass Scientologen Ausstrahlungen gerichtlich untersagen lassen würden. Scientology Deutschland kündigte für die nächsten Tage denn auch eine eigene Pressekonferenz mit „brisanten Hintergründen zu der geplanten ARD-Sendung“ an. Es sei dazu ein eigener halbstündiger Film produziert wurden. Das letzte Wort zu diesem Aussteigerfilm scheint wohl noch nicht gesprochen.Markus Ehrenberg

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