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Seriencheck II: Globale Jagd auf das Böse

In „Crossing Lines“ bei Sat 1 jagt ein Team des Internationalen Gerichtshofs Gewaltverbrecher.

Der Internationale Gerichtshof in Den Haag (ICC) fahndet nach Kriegsverbrechern in aller Welt und macht ihnen den Prozess. Das ist die Realität, aus der die Serie „Crossing Lines“ ihre Fiktion gewinnt: Hier verfolgt der ICC auch Gewaltverbrecher, die keine Ländergrenzen mehr kennen. Im ersten Fall werden vier junge Frauen getötet, bei allen Taten gibt es die gleichen grausamen Merkmale. Die Mordserie ist die Premiere für das ICC-Ermittlerteam, das Major Louis Daniel (Marc Lavoine) im Auftrag seines väterlichen Freundes Michael Dorn (Donald Sutherland) als eine Art globales FBI aufbaut. Das Grundmuster der Serie hängt mit ihrer weltweit angestrebten Verkäuflichkeit zusammen. Produziert von Tandem Communications („Die Säulen der Erde“), Bernero Productions („Criminal Minds“), dem französischen Sender TF 1 und Sony ist der internationale Cast auf nationale Attraktivität getrimmt. Tom Wlaschina („Game of Thrones“) spielt den Berliner Polizisten Sebastian Berger, Marc Lavoine als Daniel und Moon Dailly (Anne-Marie San) decken die französische Flanke, für den US-Markt fahndet William Fichtner als Ex-NYPD-Cop Carl Hickman – und Sutherland ist seine eigene globale Marke.

Für nicht wenige der so konstruierten Produktionen hat die Kritik das unschöne Wort „Europudding“ parat. „Crossing Lines“ leidet darunter nicht. Möglich, dass das Publikum längst das globalisierte Serien-Fernsehen kennt und akzeptiert und angesichts einer weltweit agierenden Ermittlertruppe gar keine schlechte Laune bekommt: Die Ortswechsel und die damit verbundene, jeweilige Prononcierung eines Fahnders liegen auf der Hand.

Die Premiere mit einer Doppelfolge bringt die Sache schnell ins Laufen. Getrieben vom extraordinären Fall – Chefautor von „Crossing Lines“ ist „Criminal Minds“-Profi Edward Allen Bernero – sammelt Major Daniel sein Team um sich, das Publikum lernt die Mitglieder unter der Perspektive und mit den Spannungen in der Truppe kennen, wie es der Ex-Cop Hickman tut. Es sind lauter Spezialisten, der Berliner Berger ist das elektronische Gehirn, weil er mit seiner Scanner-Technik die Tatorte durchleuchtet und Details zu Tage fördert, die sonst unentdeckt blieben. Was nach schnödem „CSI“-Abklatsch klingt, ist „Crossing Lines“, nicht. Hickman ist der Profiler, der in den Täter hineinschaut und so die Richtung der Fahndung bestimmt. Kein Vorsprung durch Technik.

Die Produktion bietet sorgfältig gebautes Serienfernsehen mit achtbarer Ensemble-Inszenierung und vorzeigbarer Schauspielkunst. Selten nur wird bei den Fahndern in die Falle nationaler Klischees getappt. Natürlich ist da Action drin, aber vor allem Haudrauf und dem Dingfestmachen nimmt sich de Dramaturgie Zeit für die Charakterzeichnung (nur der Täter hat zu viel von einem synthetischen Psychopathen abgekriegt). Auch ein bisschen sehr forciert ist, dass jedes ICC-Mitglied ein mehr oder minder großes Päckcken mit herumschleppt. Hinter jeder Figur liegt eine Vergangenheit, die sich erst allmählich aufhellt. Da lassen sich große Entwicklungsräume öffnen. Das Doppelgesichtige ist so akzentuiert, dass sich der aktuelle Fall und die Fahnder-Figuren fast die Waage halten – „Crossing Lines“ bewegt sich in einer Doppelspur. Und weil es deren sieben Männer und Frauen sind, kann sich der Zuschauer schon mal überlegen, welchem der Global-Ermittler er sein besonderes Interesse schenkt. Keine leichte Entscheidung. Joachim Huber

„Crossing Lines“, 21 Uhr 15, Donnerstag, Sat 1

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