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Show: Alles gesagt. Endlich

RTL stellt „Oliver Geissen Show“ ein. Der Boom des Nachmittagstalk ist vorbei

Die Fans des Genres werden ängstlich gucken, die Feinde des „Daily Talks“ strahlen. Der Privatsender RTL beendet nach zehn Jahren und 1807 Ausgaben „Die Oliver Geissen Show“. Damit ist „Britt“, die werktägliche Talkshow mit Britt Hagedorn bei Sat 1, die allerletzte ihrer Plauderzunft. Allerdings könnte ihr das blühen, was RTL-Geissen zum Verhängnis wurde – ungenügende Einschaltquoten. RTL teilte mit, seit Jahresbeginn hätten im Schnitt nur noch eine knappe Million Zuschauer eingeschaltet. Das sind 12,6 Prozent Marktanteil beim werberelevanten Publikum zwischen 14 und 49 Jahren. Im Durchschnitt bewegt sich RTL 2009 bei 17 Prozent. Geissens Talk startete am 23. August 1999, war jahrelang sehr erfolgreich, als die Beicht-Runden deutlich über RTL-Schnitt lagen.

Oliver Geissen muss um seinen Arbeitsplatz beim Sender nicht fürchten. RTL kündigte eine Vertragsverlängerung bis 2011 an. Die „Ultimative Chartshow“ werde der 39-Jährige mit zwölf Ausgaben pro Jahr fortsetzen, hinzu komme eine weitere neue TV-Reihe für die Hauptabendzeit. Geissen produziert bis zum 19. Mai noch neue Ausgaben seiner Show, bis Mitte Juni wird RTL Erstausstrahlungen senden, bis zum Herbstbeginn Wiederholungen. Dann will der Sender nach „erfolgreichen Testphasen“ am Nachmittag ab 14 Uhr auf das bereits eingeführte Dokusoap-Format „Mitten im Leben“ und sogenannte „gescriptete Dokusoaps“ einsetzen. Darin agieren Laiendarsteller nach Drehbüchern und sollen „Schicksale und wahre Geschichten aus dem Leben“ erzählen.

Über seine Talk-Jahre sagte Geissen laut RTL: „Es waren spannende, lustige und erfolgreiche zehn Jahre – eine lange Zeit im kurzlebigen Fernsehbusiness, auf die wir sehr stolz sein können. Ich freue mich jetzt auf neue Herausforderungen und neue Formate.“ Über die neue Show machte RTL noch keine Angaben. Nach Branchenspekulationen handelt es sich um eine Reihe mit zeithistorischen Themen. „Oliver Geissen wird auch in Zukunft ein wichtiger Moderator in der RTL-Prime-Time sein“, sagte RTL-Geschäftsführerin Anke Schäferkordt. „Auch aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, seinen Vertrag vorzeitig zu verlängern.“ Die Produktionsfirma Norddeich TV, die 2004 gegründet wurde und Geissen zu 25 Prozent und RTL Television zu 75 Prozent gehört, wird auch künftig für RTL tätig sein. Sie stellt die Abendreihe „Unser neues Zuhause“ sowie Magazinbeiträge und Folgen für die Reihe „Mitten im Leben“ her.

Der Boom der meist nach ihren Moderatoren benannten Nachmittagstalks hatte 1992 mit dem Start von „Hans Meiser“ bei RTL begonnen. Danach folgten zahlreiche weitere Sendungen vergleichbarenInhalts – bei RTL etwa „Bärbel Schäfer“ und „Ilona Christen“, bei Sat 1 „Vera am Mittag“ und „Sonja“ und bei Pro 7 unter anderem „Andreas Türck“ und „Arabella“. In den Shows diskutierten und stritten Gäste über Themen wie „Ich war in einer Gang“ oder „Ich liebe den Vater meiner Freundin“. Bei Oliver Geissens Show lauteten die Themen „Abwrackprämie – Du bist zu alt für Minirock & Disco!“ etc. pp..

Zwei Faktoren haben den Erfolg der Nachmittags-Talkshows nachhaltig gestützt. Normale, also nicht-prominente Menschen sprachen über sich und damit über Menschliches bis Allzumenschliches. Kein Thema war zu gewöhnlich, kein Abgrund zu tief, Tabus schmolzen schneller als Schnee in der Sonne, die Peinlichkeitsschwelle wurde stets neu vermessen. Um dem Abnutzungseffekt zu begegnen, wurden die Themen krasser, agierten die Teilnehmer outrierter. Eine Talkshow-Industrie mit klarem Zug zur Professionalisierung etablierte sich: Gäste wanderten mit ihren Statements von Sendung zu Sendung, oder es wurden zu unterschiedlichen Themen die gleichen Teilnehmer eingeladen. Joachim Huber

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