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Medien: Skandal im Sperrbezirk

Die Suche nach dem neuen ZDF-Intendanten hat ihren Skandal. In der Findungskommission, die sechs Kandidaten als Nachfolger von Dieter Stolte benannt hat, ist es nach Angaben der SPD zum "offensichtlichen Versuch" gekommen, "eine oder mehrere Stimmen zu kaufen".

Die Suche nach dem neuen ZDF-Intendanten hat ihren Skandal. In der Findungskommission, die sechs Kandidaten als Nachfolger von Dieter Stolte benannt hat, ist es nach Angaben der SPD zum "offensichtlichen Versuch" gekommen, "eine oder mehrere Stimmen zu kaufen". Dem SPD-nahen Kommissionsmitglied Andrea Urban soll nach der letzten Sitzung des Gremiums am Freitag von einem Mitglied des unionsnahen Freundeskreises der Posten des Direktors der Europäischen Satellitenprogramme beim ZDF, Gottfried Langenstein, in Aussicht gestellt worden sein. Unter dringendem Tatverdacht steht Wilfried Scharnagl. Der Ex-Chefredakteur des CSU-Blattes "Bayernkurier" wies den Vorwurf als "abwegig" zurück.

Der Leiter der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei, Klaus Rüter (SPD), sagte am Dienstag, er sei bestürzt. Angesichts der bisher sehr sachlichen Zusammenarbeit in dem Gremium habe er sich so etwas nicht vorstellen können. In der Findungskommission, in der SPD und Union das Sagen haben, sitzen neben Rüter, Urban und Scharnagl weitere fünf Mitglieder. Andrea Urban, Leiterin der Jugendschutzstelle Niedersachsen in Hannover, habe das Angebot nach ihren Angaben ausdrücklich zurückgewiesen, sagte Rüter, der den SPD-nahen Freundeskreis im ZDF-Fernsehrat leitet. Das 77-köpfige Gremium soll am 6. Dezember den Intendanten wählen. Stolte scheidet im März 2002 aus.

Nach dem Kalkül der Konservativen um Scharnagl und Fernsehrats-Chef Konrad Kraske sollte Langenstein an die Senderspitze rücken. Damit dieser Kandidat eine breite Mehrheit findet, keine der beiden Freundeskreise verfügt nämlich über eine Majorität im Fernsehrat, wäre die SPD mit einer Direktorin Urban zufriedengestellt worden. An diesem Posten-Geschacher wollte sich Urban nicht beteiligen. Das Ansehen des ZDF und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks seien durch diesen Vorgang ernsthaft in Gefahr, erklärte Rüter. Die Begleitumstände der Suche nach einem geeigneten Kandidaten seien bereits äußerst unerfreulich gewesen. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) hatte die Kommission wegen "Mauscheleien im Hinterzimmer" kritisiert. Clement forderte immer wieder eine "Kompetenzlösung" für die ZDF-Spitze, die er mit Langenstein nicht erfüllt sah. Kommentar Scharnagl dazu: Clement verhalte sich "rätselhaft".

Jetzt hat die SPD die Ranküne öffentlich gemacht (zu der sie selbst freilich in der Lage ist). Damit verbindet sie Ziele, damit verbinden sich Aufgaben. Das Gesetz des Handelns wandert von den diskreditierten "Schwarzen" zur Sozialdemokratie. Ihr Freundeskreis muss zur Befriedung der Situation wie auch zum Sicherstellen des Wahltermins eine allseits akzeptable Personallösung präsentieren. Das ist alles andere als einfach, wo die SPD die Unionsseite bewusst bloßgestellt hat. Mit Hauruck wird es nicht gehen, sondern allein mit einer Konstruktion, die auf dem Mainzer Lerchenberg so viele Gewinner als möglich hinterlässt. Die SPD-nahen Namen im Sechserpack der Kandidaten heißen Hans Jahnke (stellvertretender ZDF-Programmdirektor), Verwaltungschef Hans-Joachim Suchan und als einzige externe Kandidatin Dagmar Reim, Chefin des NDR-Landesfunkhauses in Hamburg. Nach ersten Planspielen der SPD-Strategen befindet sich darunter kein neuer ZDF-Chef, aber die Basis für folgendes Personal-Paket: Intendant Markus Schächter (bisher "schwarzer" Programmchef), Programmdirektor Jahnke, stellvertretende Programmchefin Reim. Langenstein bleibe, was er ist, seine Position werde aber "angehoben".

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