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Skandale: Was tun, wenn es brennt?

AKW Krümmel oder Unicef Deutschland: Skandale und ihr Management

Es ist der 28. Juni 2007, kurz nach 15 Uhr. An jenem Donnerstag geht im Abstand von nur fünf Minuten erst das Kernkraftwerk Brunsbüttel vom Netz, dann das nahegelegene Kernkraftwerk Krümmel. In Brunsbüttel sorgte ein Kurzschluss für die Schnellabschaltung des Reaktors, in Krümmel brannte ein Transformator, ebenfalls wegen eines Kurzschlusses. Alarm in den Redaktionen: Es raucht im Kraftwerk. Auf nach Krümmel.

Dort machte der schwedische Energiekonzern Vattenfall, der die betroffenen Kraftwerke betreibt, eine für Energiekonzerne ungewöhnliche Öffentlichkeitsarbeit. Der Konzern öffnet den herbeigeeilten Kamerateams das Informationsgelände, das eigentlich für Schulklassen und Bürger gedacht ist. Es liegt auf einer Anhöhe – und bietet dem Fernsehen einen perfekten Blick auf die qualmende Anlage. Sprecher des Energieriesen gaben ihre Interviews vor dem dicken Rauch und den Blaulichtern der Feuerwehrwagen. Heute sagt Vattenfall-Sprecher Ivo Banek: „Damit habe ich den Sendern starke Bilder geliefert.“ N 24 und n-tv garnierten die noch mit einer Rückschau aus Tschernobyl. Und schürten so Panik. Banek: „Wir haben die Macht der Bilder unterschätzt.“ Dabei habe er nur versucht, dem Eindruck vorzubeugen, Vattenfall wolle das wahre Ausmaß des Zwischenfalls vertuschen.

Das wahre Ausmaß aber war, dass die Vorfälle in Brunsbüttel und Krümmel sogenannte Null-Ereignisse waren und deshalb auf der Gefahrenskala der Atomenergiebehörde nicht erfasst wurden. Es brannte zudem nur ein außerhalb des Kraftwerks gelegenes Transformatorenhaus. Offizieller Status: „Keine sicherheitstechnische Bedeutung“. Im Fernsehen kam das anders rüber, in der Presse ebenso. „Bild“ damals: „AKW in Flammen“. Um die Öffentlichkeit zu beruhigen, musste unter anderem der für die europäischen Kernkraftwerke zuständige Vattenfall-Chef Bruno Thomauske gehen, später auch der Vorstandsvorsitzende Klaus Rauscher und PR-Chef Johannes Altmeppen. Symbolpolitik – für die Medien. Banek sagt heute: „Wir hatten damals nicht die Oberhand.“

Solche Einblicke in die Aktivitäten – und Mängel – der Kommunikation von Unternehmen sind selten. Aber dann umso aufschlussreicher, wie sich auf dem „Skandalgipfel 2009“ vom Kieler Institut für Krisenforschung und der Uni Hamburg zeigte. Dort erläuterte der Vattenfall-Sprecher auch die Konsequenzen: Der Konzern richtete ein eigenes Krisenbüro ein. Und trainiert seitdem in Rollenspielen konzernweit den Ernstfall.

Skandale und die Medien, das ist stets ein heikles Feld. Das Institut für Krisenforschung führt in dieser Sache seit gut 20 Jahren Statistik. Fazit: Die Zahl der sogenannten operativen Krisen, bei denen also tatsächlich Flugzeuge abstürzen oder Lebensmittel vergiftet sind, nahm in diesem Zeitraum jährlich um gut ein bis zwei Prozent ab, schrumpfte innerhalb der vergangenen 20 Jahre um etwa ein Viertel. Im selben Zeitraum stieg aber die registrierte Zahl der sogenannten kommunikativen Krisen.

Eine besondere Erfahrung musste im vergangenen Jahr auch die Hilfsorganisation Unicef machen. Vor allem die „Frankfurter Rundschau“ und der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichteten über Unregelmäßigkeiten in der Verwaltung, von einem „Spenden-Skandal“ war da die Rede. Auf der Hamburger Tagung skizzierten zwei Unicef-Sprecher die Folgen. Insgesamt seien etwa 5000 Artikel zum Thema erschienen, die sich wiederum weitgehend auf die Berichte der „FR“ stützten. Die deutsche Sektion von Unicef hat während der Affäre 20 000 Fördermitglieder verloren – und das DZI-Spendensiegel. Geschäftsführer Dietrich Garlichs, der gesamte Vorstand und die ehrenamtliche Vorsitzende Heide Simonis mussten zurücktreten. Auch die Unicef-Sprecher gestanden ein, Fehler gemacht zu haben. So sei die Pressestelle nicht vom damaligen Vorstand sofort über belastendes Material informiert worden. Außerdem, sagt PR-Mann Rudi Tarneden, sei in den Medien bis dahin kaum etwas über die Arbeit einer professionellen Hilfsorganisation bekannt gewesen. „Deshalb wurden ganz einfache Tätigkeiten wie die Beauftragung von Beratern kritisiert.“

Den medialen „Turnaround“, dass also Unicef auch bei den Journalisten wieder besser ankommt, hat die Organisation übrigens mit einem beliebten Trick geschafft. Unicef verzichtete auf mehrere gerichtlich erwirkte Gegendarstellungen in den beiden Zeitungen, weil „Stadt-Anzeiger“ und „FR“ den neuen Unicef-Chefs im Gegenzug „den nötigen Raum für unsere Position eingeräumt haben“, wie Tarneden berichtete. Auch dieses „Geben und Nehmen“ ist Teil der Skandalbewältigung.Bei Unicef hat das funktioniert. Die Hilfsorganisation verzeichnet seit April wieder mehr Berichte über die Arbeit der deutschen Sektion. Die Affäre aber wird haften bleiben.

Daniel Bouhs

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